Wäre der Plan mit der Radtour aufgegangen, dann würde ich heute von Fairbanks nach Vancouver zurückfliegen, um Sylvia zu treffen.
Der Abbruch hat mir viele kleinere Erlebnisse und schöne Tage beschert, mit Freunden, vor allem mit meinen Kindern und
Enkelkindern - und neuerliche Aufbruchstimmung in den letzten Tagen.
Diese waren bestimmt vom Aufräumen im Haus und dem Zusammentragen des Reisegepäcks. Ein Koffer und ein Rucksack als Handgepäck
pro Person, keine Festtagskleidung, hauptsächlich Outdoorkleidung - alles in geringer Menge, denn auf vielen Campgrounds gibt
es Waschmaschinen. Das Gepäck ist nicht das Wichtigste bei einer Reise, viel wichtiger ist es, nicht darauf zu vergessen, selbst
auch mitzukommen - mit der Seele und mit dem Kopf.
Und wenn im Folgenden einige schöne Fotos zu sehen sind und schöne Erlebnisse geschildert werden, dann möchte ich ganz deutlich
darauf verweisen, dass der Großteil des Lebens im Alltag stattfindet. Ich möchte nicht wie in den "asozialen Medien" den
Eindruck vermitteln, dass "die Anderen" immer nur auf Urlaub sind, immer Party haben und dass ihr Leben immer nur schön und
geil ist.
Lassen wir uns nicht täuschen - in den "asozialen Medien" werden neben vielen Dummheiten und Gemeinheiten nur die
Highlights veröffentlicht, von den "Mühen der Ebene", von den Belastungen des Alltags spricht niemand.
Um 4:45 verlassen wir heute das Haus, ohne Frühstück. Genau in dem Moment kommt eine Mail von den ÖBB, dass einer unserer
gebuchten Züge Verspätung hat. Leicht angespannt gehen wir trotzdem zum Bahnhof in Kirchberg und während der Fahrt mit der
Mariazellerbahn planen wir neu und finden dabei sogar eine elegantere Lösung, sodass uns noch Zeit für einen ersten Kaffee
am Bahnhof in St. Pölten bleibt.
Am Flughafen machen wir (weil wir eh keine andere Möglichkeit vorfinden) zum ersten Mal den Self-Check-In für unser Gepäck,
dann gehts wie üblich zum Security-Check. Sylvia vergisst dabei, das Tablett aus dem Rucksack zu nehmen und muss (daher?) zum
Sprengstofftest - sie besteht aber und darf weiter. Sie schaut halt auch nicht aus wie eine Terroristin ;-)
Start in Wien ist pünktlich um 8:50, die Landung in Frankfurt planmäßig um 10:20. Da wir viel Zeit bis zum Anschlussflug nach
Vancouver um 13:20 haben, gibt es ein "Frühstück" mit Weißwurst und Weizenbier (für Manfred)
Mit etwas Verspätung geht es weiter, 10 Stunden über viel Wasser, Grönland und unbewohnbare Gebiete in Nordkanada. In Vancouver
erledigen wir die Einreiseformalitäten an einem Automaten, nach einiger Wartezeit haben wir unser Gepäck.
Eine SIM-Karte für Sylvia (ich hab meine noch vom Radversuch) ist am Flughafen in 10 Minuten gekauft und installiert, sodass
wir beide Mobildaten zur Verfügung haben und einander kontaktieren können, wenn wir getrennt werden.
Auf ein Taxi braucht man vor dem Flughafen nicht zu warten, um 17:00 sind wir im einfachen Steveston-Hotel in Richmond
eingecheckt.
Gestern waren wir noch im Pub nebenan auf ein Dinner, es gab sogar Live-Musik. Der lange Tag hat uns aber rasch überwältigt,
daher sind wir bald im Bett.
Heute gibt es nach erholsamem Schlaf ein kräftiges Frühstück im Cafe nebenan. Dabei bestellen wir für morgen über die Uber-App
ein Taxi zu Cruise Canada. Nach einem kurzen Rundgang in Richmond, vorbei an der Cannery geht es mit Bus und U-Bahn ins
Zentrum von Vancouver. Erste Sehenswürdigkeit ist dort die Steam-Clock, eine mit einer Dampfmaschine betriebene Uhr, in der
Pfeifen eingebaut sind, über die zu jeder Viertelstunde maschinelle Musik gespielt wird.
Bei Kaffee und Kuchen kaufen wir Online die Eintrittskarten für den Aussichtsturm "Vancouver Lookout", von dem wir uns einen
ersten Überblick über die Stadt holen. Wir bummeln und versuchen dabei möglichst viele Eindrücke einzufangen. Dabei gibt es
auch Bier bei "steamworks" und Kaffee bei Starbucks. Und für morgen schreiben wir mal einen Campground auf Vancouver Island
an, ob sie wohl Platz für uns haben.
Die Öffis bringen uns wieder retour zum Hotel und etwas weniger müde als gestern genießen wir das Abendessen wieder im Pub
nebenan.
Die Route beinhaltet die Fahrt mit dem Wohnmobil, inclusive Fähre. Dabei gab es ein paar Aussetzer.
Strecke T01: 73 km
Gesamte Strecke: 73 km
Frühstücken, Organisieren, Trödeln, Auschecken, Warten auf den Uber, der uns zu Cruise Canada bringt - damit ist der
Vormittag vorbei. Dort verliert niemand ein Wort darüber, dass wir eigentlich um fast 2 Stunden zu früh sind. Sie sehen in ihren
Daten, dass wir schon mal gefahren sind und machen eine rasche Übergabe. Alles funktioniert wie geplant - die Betreuer von
Ruefa haben ganze Arbeit geleistet, denn ursprünglich war das Wohnmobil über "FTI" gebucht und dieser Reiseunternehmer ist vor
ein paar Wochen in Konkurs gegangen. Ruefa St. Pölten hat alles über "Dertour" neu organisiert.
Schnell muss noch das Schloss bei der "Wohnungstür" getauscht werden und um 13:25 können wir starten (gepant war 16:00).
Als erstes geht es zu einem vorher schon festgelegten Walmart, einem Supermarkt. Danach sind Vorratschrank und Kühlschrank voll.
Zur Vereinfachung der Navigation geht auch eine Handyhalterung mit, und außerdem kaufen wir eine Kaffeemaschine um 10 Euro und
eine Thermosflasche für den Tee für 15 Euro.
Nächster Stopp ist ein Liquorstore, damit sind auch Bier, IPA und Whisky an Bord. Nach einer kleinen Jause legen wir noch die
paar Kilometer zur Fähre nach Vancouver Island zurück. Wir wären rechtzeitig für die 18:00-Fähre da, es gibt darauf aber keinen
Platz mehr, also warten wir auf die gebuchte Fähre um 19:00.
Um 19:20 stechen wir in See, die Fahrt dauert eineinhalb Stunden. In dieser Zeit entsteht das Tagebuch, es gibt ein paar
Erfrischungen und im abendlichen Licht können wir die Umgebung genießen - für gute Fotos ist es leider schon zu dunkel.
Um 21:30 erreichen wir den Oceanside RV Park. Die Rezeption ist schon geschlossen, auf einem Schild steht, dass der Platz voll
besetzt ist, dass man aber gerne auf den Stellflächen vor dem Eingang für eine kleine Gebühr (die wir morgen zu entrichten haben?)
übernachten kann. Wir freuen uns drüber und genießen die Ruhe.
Strecke T02: 38 km
Gesamte Strecke: 111km
Die Nacht war gut, wir machen uns ein Frühstück wie daheim (Haferbrei mit Obst, Kaffee und Tee), bezahlen für die Nacht
und machen uns fertig für den Tag. Die Leuchtdioden für den Black-Water-Tank (das ist die "Senkgrube") zeigen voll, obwohl es
das aufgrund seiner Größe noch nicht geben kann. Aber wir sind verunsichert.
Auf der Strecke zum nächsten Walmart Richtung Victoria liegt eine Tankstelle - dort füllen wir mal richtig Benzin ein. Der Tank
ist halb leer, aber es rinnen 111 Liter rein! Bei der Einfahrt zum Walmart müssen wir umdrehen - die Garage ist diesmal eine
Tiefgarage, die für uns zu hoch ist. Auf einem McDonalds-Parkplatz orientieren wir uns neu und peilen den nächsten Walmart an.
Dort finden wir alles, was wir noch brauchen. Zum Beispiel ein Stockerl für Kinder für vor das Klo - weil das auf einem Podest
steht und unsere Unterschenkel zu kurz sind.
Auf dem engen Parkplatz beim McDonalds streift das Heck des Autos an einem Pfeiler, auf den schmalen Straßen durch die Stadt
wird der Spiegel von einem Pfeiler weggeklappt. Beide Vorfälle verursachen zwar keine Schäden, aber sie verunsichern.
Alle gewünschten Campingplätze sind entweder ausgebucht oder nicht so kurzfristig online buchbar, wir entscheiden uns trotzdem
dazu, mal in aller Ruhe Victoria zu besichtigen - die Hauptstadt von British Columbia. Für etwa 37 CAD können wir dort in
Zentrumsnähe parken. Die Bezahlung erfolgt online übers Handy. Unser Weg führt vorbei am Parlament, dort gibt es eine Demo
für Palästina und eine kleinere für Israel. Weiter geht es vorbei am Hafen in das Zentrum durch die Fußgängerzone mit
vielen netten Lokalen. Einem Irish Pub können wir nicht widerstehen. Wir essen und trinken ein wenig und flanieren weiter zu
Fishermans Wharf - einer Ansammlung von bunten Holzgebäuden am oder besser im Wasser, in denen vermutlich Fischer wohnen.
Auf gut Glück fahren wir zum nahegelegenen Fort Victoria RV Park - dort haben sie tatsächlich eine Stellplatz für uns mit
allen Anschlüssen. Die LEDs für den Blackwater-Tank zeigen zwar auch nach der Entleerung noch auf voll, aber jetzt wissen
wir wenigstens Bescheid - wir sind (wieder) entspannt und können essen, trinken und die nächsten Tage planen.
Strecke T03: 104 km
Gesamte Strecke: 215km
Es gibt wieder ein eigenes Frühstück, das mit Omelette, gebratenem Speck, Obst, Brot, ...
Wir stellen die Abfahrbereitschaft her, entsorgen endlich unseren Müll halbwegs sortenrein und machen uns um 10:10 auf den Weg
nach Port Renfrew. Er ist heute wesentlicher Teil des Ziels, vor uns liegt eine "narrow winding road" mit vielen
Unebenheiten und Schlaglöchern, die Fahrzeit für 104 Kilometer beträgt 2 Stunden und 20 Minuten.
Nach 10 Minuten Fahrt schaffen wir noch ein Videotelefonat mit Elina, die heute ihren achten Geburtstag hat. Die Landschaft
macht ein bisserl auf Waldviertel, oft gibt es einen Ausblick auf das Meer und nach den USA. Bei Jordan River machen wir eine
Kaffeepause auf einem Parkplatz mit Blick aufs Meer.
Dabei ergibt sich ein Gespräch mit einem anderen RV-Reisenden: Er ist mit seiner Frau und drei Enkeltöchtern nach Mexico
unterwegs, seine Eltern stammen aus der Ukraine, sind aber schon 1929 hierher eingewandert.
Immer wieder finden sich Künstlerstandln auf dem Weg, manchmal regnet es ein wenig. Mobildaten sind bald nicht verfügbar,
irgendwo bei einem Gemeindezentrum können wir über das WLAN noch schnell die Karte bis ans Ziel downloaden.
Dieses Ziel ist der Port Renfrew Marina und RV Park, ein riesiger, aber sehr ruhiger Campingplaz an einer Meeresbucht,
verbunden mit einer Marina. Viele Hobbyfischer gehen gemächlich ihrer Arbeit nach. Von unserem Betreiber Bell gibt es kein
Internet, fallweise flackert irgendwo ein öffentliches WLAN auf, das wir zu nutzen versuchen.
Eigentlich wollten wir noch die Botanical Beach besuchen, die Platzbetreiberin erklärt uns aber, dass das heute aufgrund der
Flut keinen Sinn mehr hat, erst morgen würde es wieder passen. Wir begnügen uns daher nach einer Jause mit einem kleinen
Spaziergang in der Umgebung. Wie schon auf der ganzen heutigen Fahrt zu beobachten, wachsen hier die Tujen nicht als
Heckenpflanzen, sondern als richtige Bäume, die einen wesentlichen Teil des Waldbestands ausmachen.
Strecke T04: 321 km
Gesamte Strecke: 536 km
Es hat die ganze Nacht geregnet und jetzt bei der Abfahrt vom Campingplatz um 09:45 regnet es noch immer.
Die Fahrt bis Duncan geht quer über die Insel durch unberührte Natur, mit entsprechend tollen Eindrücken. Spuren von Waldbrand
sind zu sehen. Die Straße ist wieder "narrow and winding", für 90 Kilometer brauchen wir 2 Stunden.
In Duncan angekommen hört es entdlich zu regnen auf. Wir stehen suchend und überlegend vor dem indianischen Cowichan-Center.
Daraufhin kommt einer der Mitarbeiter auf uns zu und lädt uns zu einer Führung ein. Ich will noch um das Geld zum Auto gehen,
da sagt er: "there is no fee". Ein wenig erklärt er uns die Totempfähle. Sie werden aus Thujenstämmen geschnitzt. Und mit etwas
Stolz zeigt er uns die Kanu-Werkstätte. Das große Kanu ist in 6 Monaten Arbeitszeit aus einem Baum gehackt worden, aus
einer Thuje.
Wir bummeln durch den Stadtkern, in dem eine Fülle weiterer Totempfähle zu bewundern ist und genießen in der "Duncan Garage
Cafe and Bakery" Kaffee und Nanaimo Cake. Beim Einsteigen ins Auto fängt es wieder zu regnen an. Weiter geht es zunächst über
uninteressante vielbefahrene Highways, dann aber beginnt wieder die Fahrt quer über die Insel. Der Urwald mit seinen uralten
und entsprechend dicken Tannen (?) zwingt uns zum Halten und Staunen.
In Port Alberni steuern wir nochmals einen Walmart an und füllen hier unsere Vorratskammer. Nach weiteren faden Kilometern
folgt nochmals ein Abschnitt über eine enge und kurvenreiche Straße mit beeindruckenden Ausblicken und Einblicken. Erst um
19:30 erreichen wir den für zwei Tage gebuchten Campingplatz in Ucluelet. Hier füllen wir schnell noch die Waschmaschine, um
uns dann mit Heißhunger auf die Vorräte zu stürzen.
Heute gibt es keine Route, unsere Ziele liegen in der unmittelbaren Umgebung. Insgesamt sind wir etwa 30 Kilometer gefahren.
Es hat die ganze Nacht geregnet, es regnet auch jetzt am Morgen noch. Das passt nicht zu unseren Plänen. Eine Runde am
Campground zeigt, was man hier unter einem Wohnmobil versteht.
Wir füllen erst mal den Wäschetrockner und machen ein kräftiges Frühstück. Unser Platz hat weder Strom- noch Wasser- oder
Abwasseranschluss. Es war sonst nichts mehr frei. Also checken wir die Füllstände der Tanks, der Batterie und der Propanflasche.
Ergebnis des Checks ist, dass wir auch die nächste Nacht noch schaffen sollten. Die elektronischen Geräte laden wir über den
Akku und diesen in der Münz-Wäscherei.
Es regnet noch immer. Also waschen wir auch die Bettwäsche, die Handtücher und die Pyjamas, planen die nächsten Tage und
reservieren alle Campingplätze dafür.
Um 13:00 hört der Regen auf und wir beschließen, noch den Regenwald-Trail zu gehen. Ein Steg führt einen guten Kilometer durch
Urwald. Uralte Bäume, eine vielfältige Mischung, Thujen sind ein Hauptbestandteil. Der Boden ist mit Farnen, Mosen, Flechten
und liegenden Bäumen bedeckt, alles lebt voneinander und miteinander.
Ein Kurzbesuch gilt dem Kwisitis-Visitorcenter. Es stellt sich trotz vieler Empfehlungen für uns als nicht besonders wertvoll
heraus. Schön ist allerdings der daran anschließende "Long Beach", ein extrem langer Strand zwischen Tofino und Ucluelet.
Die beginnende Flut lässt viele mehr oder weniger geschickte Surfer ihr Können auf die Probe stellen.
Essen gibt es heute in "Howler's Family Restaurant" in unmittelbarer Nähe des Campingplatzes. Und schließlich nutzen wir noch
die Duschen am Campingplatz, um unserem frischen Bett gerecht zu werden :-).
Strecke T06: 256 km
Gesamte Strecke: 792 km
Nach dem Frühstück kümmern wir uns um unsere Tanks, die Energie hat locker gereicht. Zunächst fahren wir durch Ucluelet zum
"Lighthouse Loop" des "Wild Pacific Trail". Auf dieser Wanderrunde wechselt der Blick von Urwald zu Felsküste und zum offenen
Pazifik, eine reizvolle Bucht folgt der anderen.
Wieder zurück in Ucluelet suchen wir als erstes ein Kaffeehaus, spannend wie immer ist dabei die Suche nach einem Parkplatz:
Ist er groß genug? Kann man wieder umdrehen, wenn man reinfährt oder muss ich wieder wie schon ein paarmal rückwärts raus
mit Sylvia als Einweiserin?
Im Snack Shack gibt's Kaffee und Chocolate macaron square (glutenfree). Um 13:45 fahren wir weiter - zunächst über etwa
100 Kilometer die Strecke von vorgestern in die umgekehrte Richtung. An einer Tankstelle fassen wir 148(!) Liter Benzin bis
der Tank voll ist. Propan kann man dort leider nur in Flaschen bekommen, nicht als Tankfüllung, wie das bei unserem Auto
notwendig ist.
Bald erreichen wir den gestern gebuchten "Thunderbird RV Park". Kaum ist unser Auto abgestellt, hat Sylvia auch schon ein
Abendessen gezaubert - unter anderem "Richi's Super-Salad".
Strecke T07: 243 km
Gesamte Strecke: 1035 km
Um 10:00 verlassen wir den Campingplatz, unser Ziel sind die Elk Falls. Dieser Wasserfall liegt an einem kurzen Trail und ist
von einer Hängebrücke aus am besten zu besichtigen.
An einer Tankstelle bei der Weiterfahrt können wir endlich Propan tanken, dem Lokal daneben können wir nicht widerstehen -
Cheesecake mit Beeren zum Kaffee.
Weiter geht die Fahrt auf schneller Straße durch eher fades Waldgebiet, das forstwirtschaftlich genutzt ist. Irgendwo liegt
ein riesiger LKW im Straßengraben und wird grad herausgezogen - der Fahrer ist offensichtlich eingeschlafen.
Bei einer weiteren Pause gibt's Eis und 71 Liter Benzin. Wir wollen heute möglichst früh nach Port Hardy kommen - von dort geht
morgen die Fähre weg und wir müssen zwischen 5:30 und 6:00 einchecken.
Der Campingplatz liegt direkt neben einer Flussmündung. Das beschert uns noch wunderschöne Ausblicke aber auch viele Gelsen,
bevor wir an die Organisation der nächsten Tage gehen. Organisation ist ein wesentlicher Punkt beim Reisen: Wo bekommt man
einen Stellplatz? Wo kann man einkaufen? Wie lange reichen die Vorräte noch? Wie lange reichen Benzin und Propan noch?
Sind Wasser- und Abwassertanks voll? Wie schauts mit dem Strom aus? Wo stellen wir schnell mal das gar nicht so kleine Auto
ab? ...
Und wenn wir uns mal nicht ganz so einig sind, wie das ja auch bei liebenden Eheleuten manchmal vorkommen soll, dann löst sich
das manchmal mit der Überlegung, dass "brave Mädchen in den Himmel kommen ... die anderen aber überall hin".
Strecke T08: 518 km, davon etwa 510 mit Fähre
Gesamte Strecke: 1553 km
Der Wecker läutet heute um 5:00. Es gibt kein Frühstück, Abfahrt vom Campground ist um 5:30. Die Fähre legt um 7:30 ab und
wir müssen 2 Stunden vorher am Hafen sein. Bis dorthin sind es ein paar Kilometer.
Das Ticket für die Fähre haben wir schon daheim über Internet gekauft. Zusammen mit den Pässen wird es bei der Einfahrt
kontrolliert, die Länge des Fahrzeugs wird überprüft, und dann werden wir in die Lane 8 in die Warteschlange
geschickt. Der Gashahn im Auto ist zuzudrehen und mit einem dafür vorgesehenen Klebestreifen zu "versiegeln".
In der Warteschlange können wir Kaffee und Tee kochen und Sandwiches richten -- somit gibt es Frühstück im Auto. Wir sind grad
fertig damit, da werden wir auf die Fähre dirigiert.
Fast planmäßig setzt sich das Schiff in Bewegung. Und jetzt gibt es den ganzen Tag Chillen und Schauen von verschiedenen
Außendecks, vom Cafe und von unseren angemieteten bequemen Liegesesseln in der Aurora Lounge im Bug des Schiffes mit Blick in
Fahrtrichtung. Fallweise werden wir per Lautsprecher auf Wale hingewiesen, man sieht die Schwanz- und Rückenflossen und die
typische Fontäne, für ein vernünftiges Foto sind sie aber zu weit weg.
Die Fahrt geht immer entlang der Westküste Kanadas zwischen vielen vorgelagerten Inseln, mal durch weite Passagen mit flachem
Land in der Umgebung, mal wieder durch engere Stellen, die von höheren Bergen begrenzt sind. Immer wieder liegen Leuchttürme,
aufgelassene Konservenfabriken und kleinere Orte an der Küste, die nur durch stundenlange Bootsfahrten oder mit Kleinflugzeugen
erreichbar sind. Der größte davon ist vermutlich Bella Bella mit eigenem Krankenhaus, eigener Schule und sonstiger
wichtiger Infrastruktur.
In Klemtu wird ein Zwischenstopp eingelegt - ein paar Gäste steigen aus, ein paar andere ein. Keine Ahnung, was man dort machen
kann, chillen und fischen vermutlich.
Im Restraurant gibt's abwechselnd Kaffee, Abendessen und ein paar Naschereien.
Gegen Ende geht die Fahrt durch einen etwa 70 Kilometer langen Streifen, der an der engsten Stelle nur gute 400 Meter breit
ist.
Um 23:50 erreichen wir den Zielhafen Prince Rupert, von dort sind es noch zwei Kilometer nächtliche Fahrt bis zum
vorreservierten Campingplatz. Guten Morgen Österreich.
Strecke T09: 248 km
Gesamte Strecke: 1801 km
Tagwache ist heute erst um 9:20, denn gestern war es deutlich heute. Nach einem gemütlichen Frühstück geht es wieder an die
Ent- und Versorgung und schließlich wieder an einen Großeinkauf an Vorräten. Das ist einfach alles "part of the game" und
macht Spaß. Diesmal brauchen wir Walmart und safeway, um alles zu bekommen, was wir brauchen.
Dem Einkaufszentrum gegenüber liegt das "Museum of Northern British Columbia", der Rundgang ist kurz und informativ, der Preis
mit 9 CAD okay.
Erst um 14:30 treten wir die heutige Fahrt an: Es geht vorbei an mehreren Seen, fast immer entlang des traumhaft schönen, im
Unterlauf extrem mächtigen Skeena River. Verzweifelt und erfolglos versuchen wir, in der Nähe der schönen Schotterbänke einen
Stellplatz für eine Kaffeepause zu finden. Erst kurz vor Terrace finden wir eine zufriedenstellende Alternative. Dabei
entscheiden wir, bis Kitwanga zu fahren. Dort gibt es einen RV-Park, den wir angeschrieben, aber keine Antort erhalten haben.
Dort angekommen, erhalten wir nach einer Entschuldigung für das Nicht-Antworten tatsächlich den letzten noch freien Stellplatz.
Sylvia hat wieder schnell Abendessen gezaubert, während ich mich um die Elektronik und die andere Technik kümmere.
Mit Essen, Planen und ausgiebigem Nutzen der Waschräume vergeht der Abend rasch. Wir sind schon weit im Norden, es ist bis
22:00 hell.
Strecke T10: 253 km
Gesamte Strecke: 2054 km
In Kitwanga beginnt der Cassier-Highway, Abfahrt ist um 10:00.
20 Kilometer: Wir machen einen Kurzbesuch im Indianerdorf Gitanyow mit seinen vielen Totempfählen, der Rest ist eher traurig
anzuschauen.
Weiter geht es auf einer landschaftlich wunderschönen Strecke durch sehr viel Wald, die aber trotzdem oft sehr guten Ausblick
bietet, im Laufe des Tages immer mehr auf vergletscherte Berge, die sich mit ihrem glänzenden Weiß markant aus dem vielfältigen
Grün abheben.
121 Kilometer: Wir erreichen eine Restarea mit Klo, vorher war nix.
Immer wieder begegnen uns andere Camper, aber auch viele Holztransporter. Wir sehen oft abgebrannten Wald, der aber von unten
und oben neu zu grünen beginnt.
139 Kilometer: Wieder eine Rest Area am Nass River mit Klo und Info-Tafeln über die weitere Strecke.
142 Kilometer: Wir besichtigen den Meziadin Provincial Park, ein Campground mit vielen malerischen Campsites am See.
Kurz danach liegt der Meziadin Junction, dort wird mal um 200 CAD getankt, man könnte dort auch essen.
An der Tankstelle steht ein Reisemobil mit burgenländischem Kennzeichen (EU), die müssen wir natürlich anquatschen. Sie haben
vor, bis Südamerika zu fahren. Daneben steht auch ein Wohnmobil aus Deutschland, die lassen uns kurz in ihr Starlink-Internet,
damit wir sicher den Glacier View auf den Bear-Glacier finden (wäre auch ohne Navi gegangen, denn es gibt nur eine Straße).
156 Kilometer: wir sind beim Glacier View - ein trauriger Anblick, wenn man nachvollzieht, wie groß der Gletscher bis vor ein
paar Jahren noch war.
Die Straße führt weiter durch eine wunderbare Gebirgslandschaft, mangels Internet verwenden wir die TomTom-App - ganz Kanada
und die USA sind auf meinem Handy gespeichert.
Auf der 20 Kilometer langen Schotterpiste zum Salmon-Glacier drehen wir nach etwa 4 Meilen um: Alles im Auto scheppert, die
Geschwindigkeit liegt deutlich unter 20 km/h und die Vorschau zeigt sehr viele Serpentinen - das tun wir uns mit einem
gemieteten Auto nicht an. Im Rückspiegel können wir aber zum ersten Mal einen Bären sehen, der offensichtlich hinter uns die
Straße gequert hat.
Keinen Bären sehen wir dagegen dort, wo extra eine Aussichtsplattform gebaut ist, um die Bären beim Schmausen der tatsächlich
vielen Lachse im Fish Creek zu beobachten.
Diese Plattform liegt in Alaska, USA. Bei der Einreise gibt es überhaupt keine Kontrolle, nur bei der Rückfahrt nach Kanada
werden uns von einem jungen Grenzbeamten ein paar Pflichtfragen gestellt.
Um 16:30 genießen wir in Stewart Kaffee, Sticky Ban - das ist eine riesige Zimtschnecke - und einen traumhaften
peanut-butter-brownie.
Um 17:00 sind wir am gebuchten Bear River RV-Park. Dort haben wir das übliche Abendprogramm: Essen und planen. Dabei wird uns
auch bewusst, dass wir auf Vancouver Island zu viel Zeit vergeudet haben - so traumhaft ist es dort doch nicht, wozu vielleicht
auch das pazifische Regenwetter ein wenig beiträgt.
Strecke T11: 647 km
Gesamte Strecke: 2701 km
Der Tag beginnt wie immer, Sylvia kauft ein Packerl Spielkarten und um 10:30 fahren wir weg. Es bieten sich die gleichen
tollen Anblicke wie gestern auf den Bear River und den Bear Glacier. Zunächst geht es zurück zum Meziadin Junction, also
zu Kilometer 142 des Cassier Highway.
174 km: Es gibt eine Rest Area mit WC, kurz nach der Brücke Bell I über den Bell River, die Gegend ist traumhaft wie gestern.
232 km: Es gibt eine Rest Area mit WC am Lake Mehan.
234 km: Bei der Bell II Lodge, einer Übernachtungsmöglichkeit mit Tankstelle und Restaurant gibt es Kaffee und home-made
Kuchen. der Name Bell II kommt daher, dass hier die 2. Brücke über den Bell River liegt. Auch eine Hubschrauber-Station ist
hier.
247 km: wieder eine Rest Area mit WC.
281 km: wieder eine Rest Area mit WC. Ein paar Kilometer später wird plötzlich Wald niedriger, die hohen Berge sind weiter weg.
330 km: Rest Area mit WC, leider wie auf so vielen Rest Areas ohne Aussicht auf die Berge oder ins Tal.
350 km: ein Provincial Park Campsite am Kinaskan Lake mit day use area.
375 km: hier liegt das Tatooga Lake Resort, ein Motel und eine Versorgungsmöglichkeit.
382 km: wieder eine Rest Area mit WC. Der Straßenbelag wird sehr holprig ab jetzt.
387 km: hier liegt die Red Goat Lodge mit Campingplatz, scheint aber geschlossen zu sein.
391 km: Iskut, ein nicht sehenswertes Indianerdorf mit einem "Kluachon-Store" und einer Tankstelle.
394 km: Mountain Shadow RV Park and Cabins, die Umgebung erinnert sehr stark an den Norden Finnlands.
408 km: wir haben wieder eine Rest Area mit WC.
419 km: für einen Kilometer beginnt eine Schotterstraße, dann geht es mit sehr grobem Straßenbelag weiter. Eine Brücke führt
über den Stikine River, es geht vorbei am Upper Gnat Lake, am Maeva Lake und am Lower Gnat Lake.
454 km: wir haben den Gnat Pass erreicht, mit 4071 Fuß der höchste Punkt am Cassiar Highway.
473 km: Dease Lake, eine Kleinstadt mit Versorgungs- und Übernachtungsmöglichkeiten, auch ein paar Campgrounds. Wir müssen
ab hier wieder mit der TomTom-App weiter navigieren, die uns immer wieder enttäuscht: Ziele sind oft falsch oder können nicht
eingegeben werden. Obwohl: eigentlich braucht man hier keine Navigation, denn es gibt nur eine Straße. Auf der ist alles
aufgefädelt.
483 km: hier liegt der Waters Edge Campground.
502 km: wieder eine Rest Area mit WC über dem Dease Lake.
565 km: nochmals eine Rest Area.
577 km: ein etwas zweifelhaftes B&B.
589 km: Jade City, hier muss man natürlich einkaufen, die machen hier sehr viel aus Jade, der in der Nähe abgebaut wird.
610 km: Good Hope Lake, ein kleines Dorf.
623 km: zwei Kilometer nach rechts liegt ein Campground. Wir haben ab hier wieder guter Asphalt.
633 km: wieder eine Rest Area mit WC. Etwa 25 Kilometer danach Wald kommen wir in ein Waldbrandgebiet, entlang von etwa
35 Kilometern sehen wir abgebrannten Wald soweit das Auge reicht. Der Eindruck lässt sich nicht fotographisch festhalten.
Hoffnung macht, dass der Boden unter den abgebrannten Bäume schon kräftig grünt, oft mit Blumen übersäht ist und kleine
Bäume beginnen schon wieder zu wachsen. Manchmal treiben auch die abgebrannten wieder an.
711 km: Es ist 21:30 wir haben den Yukon und das Ende des Cassier Hwy erreicht. 20 Kilometer am Alaska Hwy bringen uns rasch
nach Watson Lake, wo wir am Downtown RV Park schnell eingecheckt haben. Wir lassen noch rasch ein paar Münzen wechseln und
geben unsere Wäsche in die Waschmaschine und in den Trockner.
Geschrieben habe ich diese Zeilen erst am Morgen des nächsten Tages.
Strecke T12: 376 km
Gesamte Strecke: 3077 km
Abfahrt ist heute erst um 11:00 Uhr vom Platz, als erstes müssen wir schon wieder einkaufen - das geht in der grocery gleich
nebenan aber sehr schnell. Dann besichtigen wir den Sign Post Forest, eine Ansammlung von Tafeln aus aller Welt.
Sinnvoll ist nach dem Cassier Hwy noch das Tanken, diesmal bringen wir es auf 135 Liter um 250 CAD. Ab 12:00 geht es den Alaska
Highway entlang, allerdings nach Süden. Beim Schild "Welcom Yukon" verlassen wir den Yukon schon wieder, wirklich da waren
wir nicht. Wir sind wieder in British Columbia, im Hochland mit ganz anderem Aussehen als des Bergland gestern, aber Wald,
soweit das Auge reicht.
Bei einem Warnschild vor Bisons witzeln wir ein wenig über die vielen Warnschilder bisher - Das wildeste Tier, das wir bis
jetzt gesehen haben ist EIN Eichhörnchen.
Wir sind noch kaum fertig mit unseren blöden Sprüchen, da steht der erste Bison auf der Straßenböschung gegenüber und wenige
Kilometer später grast friedlich eine Herde neben und manchmal auf dem Highway.
Auf einem Platz neben der Straße kochen wir Kaffee und machen eine Pause mit tollem Ausblick. Danach sehen wir auch schon
den ersten Schwarzbären der genüsslich auf der Wiese neben der Straße grast - er schleckt die Gräser ab (?).
Der Alaska Hwy ist besser ausgebaut, als der Cassier Highway, an vielen Stellen oft ziemlich neu, aber die Infrastruktur ist
dünner.
200 Kilometer nach Watson Lake fühlen wir uns landschaftlich plötzlich nach Südtirol versetzt. Kurz danach baden wir in den
Hot Springs bei Liard River. Die Wassertemperatur beträgt 42 bis 52 Grad, wir rasten ein wenig und dann geht es wieder weiter,
zunächst über die einzige Hängebrücke des Alaska Highway. Sie wurde 1944 gebaut und wir gerade renoviert.
Bald geht es wieder zurück in die Rocky Mountains, sie heißen hier Cassier Mountains. Alle paar Kilometer schaut es anders aus
und entlockt uns ein Ah und Oh, manchmal müssen wir uns zum Fotografieren schon zwingen, manchmal sind wir auch einfach zu spät
dran.
Am Muncho Lake kocht Sylvia Abendessen, danach geht es auf der neu angelegten Straße entlang des Sees weiter. Bei Toad Lake
sehen wir eine Farm, ein Traktor mit Heuwender ist in Betrieb, Heuballen wie bei uns sind zu sehen. Wir fahren vorbei am
Summit Lake und am Summit Pass Campground, einem staatlichen Campground registrieren wir uns selbst durch Ausfüllen eines
aufgelegten Formulars, geben 20 Dollar in das Kuvert und werfen es in den dafür vorgesehenen Briefkasten.
Es gibt hier nur Stellplätze, keine Ver- oder Entsorgung und auch kein Netz in irgendeiner Form.
Es ist kalt, aber schön und hell bis nach 22:00. Mit dicker Jacke sitzen wir draußen und genießen die Stille und das
Plätschern des Bacherls neben unserem Auto.
Online gehen diese Zeilen am 7. August, um etwa 13:00 in Fort Nelson - dort haben wir wieder Mobildaten.
Nach dem Tanken hab ich vergessen, den Tracker einzuschalten :-(
Strecke T13: 510 km
Gesamte Strecke: 3587 km
Wir haben traumhaft geschlafen in dieser ruhigen Umgebung, um 10:10 fahren wir ab. Die Landschaft bietet keine Neugikeiten mehr.
Fallweise geht es wieder vorbei an abgebranntem Wald.
Um 12:30 sind wir in Fort Nelson und besuchen dort das Heritage Museum. Es zeigt Autos, Geräte und Alltagsgegenstände bis
etwa 150 Jahre zurück und erzeugt eine gute Vorstellung vom Leben der Menschen hier in der Zeit der Erschließung des Landes.
Insbesondere wird die Geschichte des Alaska Highway dargestellt, vor allem anhand viele Baufahrzeuge aus dieser Zeit.
Der Highway wurde zwischen März 1942 und Oktober 1942 aus strategischen Gründen gebaut. Detail am Rande: wir haben bis jetzt
noch keine Leitschienen gesehen - ein Fahrfehler bewirkt ein am Dach liegendes Fahrzeug.
Um Fort Nelson liegt Industriegebiet, Öl wurde hier gefunden und die zugehörige verarbeitende Industrie ist deutlich
sichtbar. Die Landschaft ist über weite Strecken nicht ansprechend - wir fahren einfach und machen Kilometer.
In Buckinghorse River gibt es eine kurze Kaffeepause, vor allem aber Benzin fürs Auto: 160 Liter "Regular" (Normalbenzin mit
einer Oktanzahl von 87). Dabei haben wir nur eine Tankstelle ungenutzt passiert. Man muss sich eine Fahrt von Mariazell bis
Laa an der Thaya vorstellen, bei der man nur Straße und Landschaft sieht - Wald soweit das Auge reicht, in alle Richtungen.
Irgendwann rücken die Berge wieder näher. Wegen einer Straßensperre plant Google Navi einen Umweg von 50 Kilometern und einer
Stunde mehr auf schlechten Straßen ein. Es gibt aber keinen Hinweis und keine Absperrung in der Realität, also fahren wir so
wie die anderen auch auf "der 97" weiter. Die Straßensperre existiert nicht.
Auf dem Weg Richtung Fort St. John suchen wir noch schnell einen Campingplatz, wir entscheiden uns für den
Charlie Lake RV und Leisure Park. Dort hat man tatsächlich noch ein Plätzchen für uns. Die Besitzerin(?) erzählt uns von den
Temperaturen im Winter: Manchmal hat es hier im Winter -40 Grad, -15 sind Standard. Rasch sind wir eingerichtet und haben
gegessen, dann beginnt die Planung der letzten Tage.
Dabei sind wir etwas ratlos, denn eigentlich wollten wir durch den Jasper und Banff Nationalpark, dort gibt es aber viele
Waldbrände und es ist sehr schwer, aktuelle Informationen vor allem über Straßensperren zu bekommen. Und Google Maps
liefert in der Browser-Version und in der App unterschiedliche Informationen ...
Natürlich hab ich wieder vergessen, den Tracker einzuschalten :-(
Strecke T14: ca. 360 km
Gesamte Strecke: 3947 km
Wir fahren wieder um 10:10 weg vom Platz. Als erstes besuchen wir den National Historic Site "Tse'k'wa". Leider war niemand da,
die Ausstellung lässt zu wünschen übrig, die historischen "Bauwerke" der Indianer sind genagelt und die angekündigte Grotte
ein kleines Loch ohne irgendwelche ersichtlichen historischen Hinterlassenschaften.
Ein paar Kilometer später geht es durch Fort St. John, eine Industriestadt, wir fahren einfach durch.
Hatten wir die letzten Tage hauptsächlich Naturlandschaft, so geht es jetzt weiter durch nicht besonders ansehnliche
Kulturlandschaft zunächst bis Dawson Creek. Gleich am Stadtrand liegt die Pioneer Village. Hier ist eine kleine Stadt zum Teil
aus originalen Häusern aufgebaut, die das Leben ab etwa 1900 darstellt. Anschließend fahren wir zum Mile "0" Post in der
Stadtmitte.
Etwas enttäuschend ist die Downtown mit angeblichen alten Gebäuden, Nur das Kaffeehaus scheint noch wirklich alt zu sein.
Es ist das "Hug a Mug's Coffee House", Kaffee und Kuchen sind dort spitze.
In Chetwynd bewundern wir ein paar der etwa 150 Holzskulpturen, die angeblich mit Kettensägen hergestellt sind. Danach wird
die Strecke wieder einsamer, schöner und es geht wieder in die Berge.
Am Campground (wieder so ein freier ohne Ver- und Entsorgung) "Whiskers Point" im Provincial Park am McLeod Lake finden wir
ein schönes ruhiges Plätzchen.
Beim Essen kommt der "Park Operator" vorbei und outet sich sofort als Deutsche durch ihre Bemerkung "leckere Bratwürste" nach
einem Blick auf unsere Teller. Sie kassiert 22 CAD und gibt uns das "Permit" für unseren Platz.
Nach dem Essen zieht es uns noch an den Strand, ein Spielplatz ist eingerichtet, für Tagesbenutzer alles frei. Wir nehmen noch
ein Bad im See und beobachten dabei, wie ein Bieber schwimmend einen Zweig zieht und zu seinem Baum bringt. Die Ufer sind
unverbaut - es gibt ja hier im Umkreis von etwa 50 Kilometern nichts, von ein paar einzelnen Häusern abgesehen. Es ist so schön
und ruhig hier! Angeblich (laut Website) ist eine Bärin mit drei jungen im Gelände, wir werden sehen ...
Strecke T15: 425 km
Gesamte Strecke: 4372 km (inkl. Fähre)
Wir haben sehr gut geschlafen und es gibt ein ruhiges Frühstück, wieder ohne Bären. Abfahrt ist um 10:15. Es geht weiter auf
der 97 entlang vieler traumhafter Seen Richtung Prince George. Die Naturlandschaft wird weniger, die Kulturlandschaft mit
Farm- und Weideland mehr. In Prince George machen wir den hoffentlich letzter Einkauf und tanken wieder 134 Liter.
An irgendeinem Creek (=Bach bis kleiner Fluss) machen wir eine Kaffeepause. Und dann noch eine in McBride im Beanery2Bistro
direkt am dortigen Bahnhof.
Dort bestätigt sich im Gespräch unsere Internetrecherche, dass der Ort Jasper aufgrund der Waldbrände mittlerweile evakuiert
worden ist, der Jasper Nationalpark, der auf unserer ToDo-Liste steht, gesperrt ist und die Durchfahrt nach Lake Louise und
Banff zwar erlaubt ist, einen Stopp darf man allerdings nicht einlegen. Infoblätter für Einwohner aus Jasper sind bereits
aufgelegt.
Nach dem Abendessen und einem Rundgang am Campingplatz zum Fluss daneben entscheiden wir uns daher etwas schweren Herzens,
auch den Nationalpark Banff auszulassen und auf der "5" nach Clearwater weiterzufahren.
Strecke T16: 299 km
Gesamte Strecke: 4671 km (inkl. Fähre)
Die Entscheidung von gestern war richtig: Mittlerweile scheint die Straße bis Lake Louise wegen der Waldbrände gesperrt zu
sein. Wir bleiben also bei unserem Plan Richtung Clearwater und Kamloops.
Wir sind heute etwas langsamer, erst um 10:25 kommen wir weg. Die ersten Kilometer sind von schlechter Sicht begleitet, wir
glauben eher an Rauch als an Nebel.
Die "busy and narrow winding road", wie uns die Dame im Kaffeehaus über die "5" informiert, stellt sich als gut ausgebaute
schnelle Straße durch eine wunderbare Berg- und Flusslandschaft heraus - In den ersten beiden Stunden haben wir einen Schnitt von
annähernd 100 km/h.
Zwanzig Kilometer vor Clearwater wird die Zivilisation wieder deutlich spürbar. In Clearwater biegen wir ab ins
"Clearwater Valley". Dort fahren und gehen wir zu mehreren Wasserfällen:
Die Spahats Creek Falls sind als erste dran, der zweite Fall ist gleich daneben, aber nicht von der Aussichtsplattform
sichtbar. Wegen einer Fehlinterpretation des Begleittextes gehen wir also einen kurzen Trail, an dessen Ende aber nicht der
zweite Fall liegt, sondern ein anderer Parkplatz. Erst am Rückweg sehen wir auch den zweiten Fall.
Die Dawson Falls sind nur 18 Meter hoch, aber 91 Meter breit und durch eine riesige Durchflussmenge ausgezeichnet.
Die Helmcken Falls sind mit 137 Metern angeblich höher als die Niagara-Fälle, aber WESENTLICH schlanker.
Auf gut Glück fahren wir eine 20 Kilometer lange unasphaltierte Piste bis zum Clearwater Lake Campground, der aber genauso
wie der danebenliegende River Campground voll besetzt ist. Sinn der Piste bleibt also das Erlebnis des Befahrens :-).
Auf dem Rückweg finden wir ein schönes Platzerl am nur schwach besetzten Pyramid-Campground, wieder einer von BC-Parks, noch
im Clearwater Valley. Das mit der Selbstregistrierung und dem 20er im Kuvert haben wir jetzt schon verstanden. Dass wir es
richtig gemacht haben, erkennen wir daran, dass der Parkoperator unseren Platz beschriftet, aber gar keinen Kontakt mit uns
aufnimmt. Internet oder Mobilnetz gibt es hier wieder keines.
Die Gelsen treiben uns bald hinein, und mit dem einsetzenden Gewitter mit kräftigem Regen genießen wir unser trautes Heim
beim Planen der letzten Tage.
Strecke T17: 309 km
Gesamte Strecke: 4980 km (inkl. Fähre)
Wir frühstücken heute im Auto, denn draußen würden uns die Gelsen fressen. Um 10:00 Uhr fahren wir weg. In Clearwater tanken
wir 160 Liter Benzin und Propan für etwa 10 CAD. Außerdem gibt es da Coffee to go und Manfreds Lieblingsdinger:
Double Chocolate Muffin.
Wir fahren Richtung Kamloops. Entlang der Strecke sind an den gegenüberliegenden Bergen immer wieder Rauchsäulen erkennbar.
Unseren Coffee to go genießen wir neben der Planung auf einer Rest Area nach Bariere.
Kamloops ist angeblich der wärmste und für uns nicht unbedingt schönste Ort Kanadas - wir fahren durch. Vegetation und
Temperatur erinnern immer mehr an einen Urlaub im südlichen Europa.
Während der Fahrt organisieren wir die letzten Tage, insbesondere buchen wir alle Campingplätze, um keine Überraschungen mehr
zu erleben - denn der Rückgabetermin für den RV und der Flugtermin sind unverrückbar.
Gegen Ende der Fahrt stellen wir fest, dass es auch eine Erfahrung ist, wenn man eine schiache Landschaft sieht - dies nicht
nur, weil wir immer wieder durch abgebrannte Gebiete fahren.
Der heutige Campground liegt wieder in einem Provincial Park am Okanagan Lake. Damit kann die heutige Fahrt mit einem Bad bei
angenehmer Wassertemperatur abgeschlossen werden.
Strecke T18: 160 km
Gesamte Strecke: 5140 km (inkl. Fähre)
Abfahrt ist heute schon um 09:45. Es geht entlang des Okanagan Sees auf einer narrow winding road. Wenn man einen See entlang
fährt, dann ist das im allgemeinen schön, hier ist die ganze Umgebung abgebrannt und trocken, aber ohne den Reiz einer wirklichen
Wüste.
Wir machen eine Schleife durch Summerland, bleiben aber gar nicht stehen. Das übliche Ortsbild, ohne dass es zum Flanieren
einlädt. Immer mehr sehen wir erste Obstplantagen und Verkaufsstände für Früchte. Eine Winery liegt nach der anderen. Wir
fahren durch eines der wichtigsten Wein- und Obstbaugebiete Kanadas, wenn ich mich nicht täusche, dann sind die Lößböden dafür
eine gute Vorraussetzung.
Seit dem Campingplatz am See haben wir schon 90 Kilometer hinter uns und fahren noch immer am gleichen See entlang. Eine
Kaffeepause machen wir am Pyramid-Picnicground von BC Parks. Weiter geht es vorbei am Skaha Lake, am Vaseux Lake und am
Gallagher Lake. Immer sehen wir eine eigenartige Mischung aus Wüste und Plantagen - und viel Wasser, allerdings nur in den Seen,
die vermutlich auch zur Bewässerung dienen.
Nach Oliver, der Weinhauptstadt Kanadas, wie sie sich zumindest am Ortsschild selbst bezeichnet, erreichen wir unser Tagesziel
Osoyoos. Dort sind wir am vorbestellten Nk'Mip Campground, der von den Osoyoos-Indianern betrieben wird, schnell eingecheckt.
Der Platz ist riesig, eigentlich enttäuschend, bietet aber alles, was wir brauchen: alle Ver- und Entsorgungsmöglichkeiten und
eine Wäscherei, die wir intensiv nutzen müssen, da wir nach einer endlich wieder möglichen gründliche Dusche auf die letzte
Unterhose zugreifen :-).
Wir besichtigen noch das Nk'Mip Desert Cultural Center, das in einer eigenartigen Mischung aus künstlerischer Darstellung,
Wigwamhüllen und Utensilien aus Kunststoff auf einem Trail durch die karge Landschaft einen Einblick in das frühere Leben
der hier ansässigen First Nation liefert.
Frisch geduscht, gefönt und rasiert und mit gewaschener Kleidung nehmen wir dann ein Dinner auf der Terrasse eines richtig
feinen Lokals ein, mit Blick auf die Weingärten, die Wüste und den See. Es gibt Elch und Lachs. Die lokalen Weine, die wir
dabei verkosten, brauchen einen Vergleich mit einem DAC nicht zu scheuen. Es dürfte sich über weite Strecken auch um die
gleichen Rebsorten handeln.
Strecke T19: 396 km
Gesamte Strecke: 5536 km (inkl. Fähre)
An unserem 41. Hochzeitstag gibt es natürlich ein sehr gemütliches Frühstück. Wir fahren erst um 10:30 weg. Zum voraussichtlich
letzten Mal tanken wir bei der Ausfahrt aus Osoyoos. Wir stellen fest, dass es hier bei Sonnenschein betrachtet doch nicht so
schiach ist. Viele Kilometer geht es noch weiter durch Obstplantagen, wir sind noch immer auf der Wine Route. Der Ausblick
ist interessant: das Tal ist geprägt vom Grün der Plantagen, die Berghänge daneben sind trocken und daher gelb bis braun.
Was aus der Entfernung oft wie ein RV Park aussieht, stellt sich aus der Nähe betrachtet als Siedlung heraus, vermutlich für
die Plantagenarbeiter. Richtung Princeton wird es auch außerhalb der Täler wieder grüner, es gibt auch wieder Laubbäume.
Im Visitor Center des Manning Provincial Park empfiehlt uns der Parkoperator, die nächste Abzweigung am Highway nach rechts
zu nehmen und zum Viewpoint Trail zu fahren. Die Strecke stellt sich als echte Bergstrecke heraus. Die ersten acht Kilometer bis
zum ersten Parkplatz sind noch asphaltiert. Dort frage ich einen, der von oben kommt, ob eine Weiterfahrt mit dem Wohnmobil
möglich ist. Die Antwort: "Dirt street, but hard and wide". Also fahren wir weiter. Manchmal ist es neben der Straße ziemlich
abgründig und es gibt keine Leitplanken, aber wir erreichen schließlich den obersten Parkplatz, der zum Umdrehen groß genug ist.
Belohnt werden wir auf fast 2000 Metern durch einen schönen Rundweg mit tollen Ausblicken und richtig guter Luft.
Weiter geht's am Highway, wir fahren vorbei an einem Felssturz aus den 60er-Jahren, durch den die Stadt Hope traurige Berühmtheit
nach einem Erdbeben erlangt hat. Auch Hope selbst liegt am Weg, die Stadt, in der ich meine Radtour zweimal abgebrochen habe.
Ein Pflichtbesuch ist notwendig, ein Bild vor meinem "Windsor Motel", ein Besuch im Cafe "Blue Moose", in dem ich schon
mehrmals gesessen bin und ein Bild mit dem hölzernen Rambo. Hope ist stolz darauf, dass der Film "First Blood" zum Teil hier
gedreht wurde.
Gute 100 Kilometer sind es noch bis zum Fort Langley, das hat aber schon geschlossen, also fahren wir gleich weiter zum
reservierten Fort-Camping. Wir haben zwar nur mehr eine Nacht Zeit, aber für zwei Nächte gebucht, da man dort keine kürzeren
Buchungen akzeptiert. Der Preis ist aber okay und die Lage für unsere Zwecke optimal.
Zum Abendessen geht es zu Fuß in die Stadt. An einer Bahnübersetzung schauen wir zweieinhalb Minuten auf den vorbeifahrenden
Zug, das ergibt bei einer vorsichtigen Schätzung von 50 km/h eine Länge von etwas mehr als zwei Kilometer für den Zug.
Ziel unseres Weges ist die "Trading Post Brewery", der Name sagt alles, was es noch zu sagen gibt ...
Strecke T20: 38 km
Gesamte Strecke: 5574 km (inkl. Fähre)
Wir stehen heute früher auf. Nach einem schnellen Frühstück geht es ans Koffer packen und an die Innenreinigung unseres
Wohnmobils. Dem Fort Langley statten wir noch schnell einen Kurzbesuch ab, der aber ausreichend ist. Geöffnet wird erst um
10:00 und um 11:00 ist der späteste Zeitpunkt für die Rückgabe des RV.
Im Eiltempo - an die Geschwindigkeitsbeschränkungen halten sich die anderen auch nicht - fahren wir zu Cruise Canada. Just in
time, um 11:00 erreichen wir unser Ziel. Die Übergabe ist problemlos, wir haben viel zu gründlich geputzt. Die Kübel und andere
Dinge, die nicht ins Flugzeug passen, verschenken wir an eine Großfamilie aus Deutschland, die grade beim Aufbruch ist.
Schnell ist ein Uber-Taxi bestellt, um 12:00 sind wir beim Steveston Hotel. Nachdem unser Zimmer noch nicht fertig ist, genießen
wir kurz den Park daneben mit einer kleinen Jause, an der auch eine Möwe intensiv teilnimmt und machen uns dann an die
Besichtigung des Cannery Museums, der Fischkonservenfabrik. Sie war von 1894 bis in die 30er Jahre in Betrieb, dabei wurden
bereits Förderbänder und ein bisserl automatisierte Verarbeitung verwendet. Im 2. Weltkrieg wurden hier Fischöl und Tierfutter
erzeugt.
Den Rest des Nachmittags bis zum Checkin im Hotel nutzen wir fürs Trinken von Kaffee und Bier, wir flanieren am Hafen und in
der nahegelegenen Wohngegend, relaxen und genießen die angenehme Brise vom Meer.
Und ja, Abendessen gibt's wieder in unserem Lieblingspub neben dem Motel mit Livemusik :-). Als Vorgruppe spielt heute
eine Boy-Band, die diese Bezeichnung redlich verdient - sie kommen sicher in den nächsten zwei Jahren in den Stimmbruch.
Die Betten waren diesmal viel zu weich, die Polster zu hoch. Ein spätes und entspannendes Frühstück holen wir uns auf der
Terrasse der Brittania Brewing Steveston. In aller Ruhe machen wir unser Gepäck flugtauglich, hinterlegen es beim Checkout im
Hotel noch für ein paar Stunden und genießen noch ein wenig die Ruhe und die sanfte Brise vom Meer. Das schon gestern bestellte
Uber-Taxi ist pünktlich da. Beim Bestellen habe ich sogar die Flugnummer angeben können und danach wurde eine vernünftige
Abholzeit vorgeschlagen. Der Rest des Tages ist Flughafen und Fliegen, wie immer gleichzeitig spannend und fad. In Vancouver
starten wir etwas verspätet, Plan wäre 16:20 gewesen.
Beim Warten ist auch noch Zeit für ein paar Ergänzungen zur Reise:
Da war zunächst das Auto, noch ganz jung, erst 35.000 Kilometer drauf, jetzt sind es 40.000. Und für technisch interessierte
Menschen: Ford, E350 super duty, wenn ich richtig recherchiert habe, dann gelten folgende Daten:
8 Zylinder, 7,3 Liter Hubraum, 325 PS bei 3800 rpm - damit ist man auch bei einer höchstzulässigen Masse von 4.400 kg nie
ein Verkehrshindernis. Das rächt sich natürlich durch einen Verbrauch von etwa 25L/100 km. Und die Abmessungen sind:
L x B x H = 760cm x 254cm x 372cm.
Und die Speisekarten in der Region Osoyoos sind nach den 4 Food Chiefs ausgelegt: Bevor es Menschen gab, haben nur Tiere und
Pflanzen auf der Erde gelebt und miteinander gesprochen. Eines Tages wurden die Menschen angekündigt, da haben sich die 4
Häuptlinge - der Bär, der Lachs, die Bitterwurz und die Felsenbirne - zusammengesetzt und sehr lange darüber beraten, was sie
diesen Menschen jetzt zu essen bieten können, das es auf der Erde schon gibt. Schließlich sagten die drei anderen zum Bären:
"Du bist der weiseste von uns, triff du eine Entscheidung!" Der Bär dachte lange Zeit nach und stellte schließlich fest:
"Ich werde mich selbst zur Verfügung stellen und mit mir alle Tiere, die auf dem Land leben". Darauf meinte der Lachs: "Ich
werde es dir gleich tun, ich und alles, was im Wasser lebt soll Nahrung sein. Und auch die Bitterwurz meinte: "Ich, und alle
Pflanzen unter der Erde". Natürlich schloss auch die Felsenbirne sich an und stellte sich und alle Pflanzen über der Erde zur
Verfügung.
Und daher findet man auf den Speisekarten nicht die Anordnung Vorspeise, Hauptspeise, etc., sondern Bär, Lachs, Bitterwurz und
Sauerkirsche.
Strecke T01: 113 km, 1830 hm
Am Plan steht eine umweltfreundliche Bergwanderung: mit dem Rad zum Bodenbauer, zu Fuß auf den Gipfel und mit dem Rad wieder
retour. Die gute Kondition vom Kanada-Projekt muss genutzt werden!
Ich bin langsam am Morgen, auch etwas unsicher, ob ich wegfahren soll, nicht zuletzt deswegen, weil Sylvia ein wenig kränkelt.
Erst um 10:00 Uhr starte ich - es ist eigentlich schon jetzt viel zu heiß. Schnell hol ich mir noch Geld von der Sparkasse
und dann gehts bei Gegenwind auf die Reise. Nach Mariazell bin ich ja schon oft gefahren, aber noch nie mit Gepäck und bei
dieser Hitze. Dementsprechend lange dauert die Fahrt. Vor der Basilika gibt es eine Jause für die Energie, ein kleines Bier
als Elektrolyt und ein Kaffee für den Kreislauf, der knapp vor dem Kippen ist.
Auch Richtung Seeberg bleibt der Gegenwind, teilweise ist er ziemlich lästig. Manchmal ärgere ich mich, manchmal besinne ich mich
darauf, dass die Gelassenheit mehr bringt. Zum Ausgleich beginnt die Steigung ziemlich moderat, es wird aber immer steiler und
ich freu mich ungemein über das Erreichen der Passhöhe.
Das Lokal nach der Passhöhe hat leider heute Ruhetag, also geht es weiter bis Thörl, wo in einem kleinen Gasthaus noch ein
kleines Bier, eine Torte und ein Kaffee notwendig sind. Während der heutigen Fahrt habe ich übrigens fünf(!) Liter Wasser
getrunken - und ich war nur einmal für kleine Jungs...
Von Thörl sind es nochmal 300 Höhenmeter zum Bodenbauer - dort habe ich ein Zimmer reserviert und nach der Dusche gibt es
Abendessen. Mein Rad darf ich für die nächsten Tage in einer Garage abstellen.
Laut Schriftverkehr mit dem BEV darf ich diese Karte veröffentlichen :-)
Strecke T02: 8,3 km, 1428 hm Aufstieg
Ich muss gestehen, dass mir der Hintern vom Radfahren weh tut - vielleicht sollte ich nochmals über einen anderen Sattel
nachdenken. Durch das Gehen wird das Problem aber sicher geringer.
Frühstück gibts ab 7:00, ich darf mir vom Buffet eine Jause mitnehmen. Die Ausrüstung, die ich nicht brauche, kommt in die
Radtaschen und die kommen auf das Rad in der Garage. Um 8:40 gehe ich weg. Es ist viel zu heiß für die Tageszeit und die Höhe.
Auf einem schlecht markierten Abschnitt komme ich vom Weg ab, find aber bald wieder zurück. Ein zweites Mal, dann komm ich
auf die Trawiesalm und es geht planmäßig weiter. Es ist schwül, ich bin nach einer Stunde vollkommen durchnässt und Fliegen und
Bremsen quälen mich. Jedes Lüfterl ist willkommen, Trinkpausen sind notwendig - ich hab mir 2 Sigg-Flaschen mitgenommen und im
letzten Moment auch noch eine Radflasche eingepackt, das stellt sich als goldrichtig heraus.
Nach ein paar Versicherungen gibts einen Energieriegel beim letzten Wegweiser zum G'hackn, das sich dann als nicht so harmlos
herausstellt, wie ich es in Erinnerung habe. Ich glaube, das letzte Mal war vor dem Ausfall des Vestibularius ...
Das Erreichen des Endes macht mich jedenfalls glücklich. Über die Fleischer Biwakschachtel gehts einfach weiter auf den Gipfel,
den ich um 12:50 erreiche. Nach einem entspannenden Jauserl gehts ab zum Schiestlhaus, um 13:50 bin ich dort eingecheckt.
Als erstes genieße ich ein kleines Getränk der in diesem Blog angeblich am häufigsten erwähnten Sorte, aber auch Kaffee und Kuchen.
Ab 15:00 zieht leichter Regen durch, da ist die Hütte schon beruhigend.
Der Himmel klart bald wieder auf und es bleibt viel Zeit zum Schreiben und Seele baumeln lassen in und um die Hütte. Und
natürlich gibt's auch noch Abendessen - und ein Zimmer für mich allein.
Strecke T03: 11,7 km, 169 hm Aufstieg, 1434 hm Abstieg
Das Wetter war heftig in der Nacht: Regen und Eisregen, Blitz und Donner waren oft zeitgleich, das Schiestlhaus war also mitten
drin. Am Morgen ist es aufgeklart, nur der nahe Gipfel versteckt sich noch im Nebel. Es ist zwar kühl, aber trotzdem viel zu warm
für diese Höhe - es ist nur ein kurzärmeliges Leiberl notwendig.
Frühstück ist erst ab 7:30 möglich, dafür ist es vom Feinsten. Die Tischnachbarn lesen die Handynachrichten - sie haben A1 und
daher Empfang, spusu ist nicht verfügbar.
Abmarsch ist um 8:15, ein kurzer Anstieg noch, dann geht es die meiste Zeit bergab. Der Weg ist ausgeschwemmt vom Unwetter,
überall sind noch Hagelkörner zu finden. Das angekündigte nächste Gewitter treibt mich ein wenig, die große, weite Berglandschaft
fesselt mich und lässt mich oft innehalten. Die schnellen, gezielten Schritte machen Spaß.
Um 10:50 erreiche ich die Häuslalm, dort gibt's eine Stunde Pause und um 12:40 bin ich wieder beim Bodenbauer - gerade
rechtzeitig vor dem beginnenden Starkregen.
Der Rest ist Relaxen, Dehnen, Schreiben, Essen, Trinken.
Strecke T04: 113 km, 1298 hm
Am Morgen bin ich wie immer seeehr langsam, der Start ist erst um 08:40. Trotzdem ist es noch kühl vom nächtlichen Regen, die
Straße noch nass. Bis Thörl geht es bergab, das ist gut am Morgen, wenn der Kaffee noch nicht richtig wirkt.
Um 10:50 bin ich am Seeberg, das war bei dem kühlen Wetter und mit dem Rückenwind einfacher, als ich befürchtet habe. Auch
bis Mariazell geht es weiter mit Rückenwind, im Wesentlichen bergab. Dort gibt es um 11:45 ein kleines Gulasch und ein dazu
passendes kleines Getränk :-)
Um 12:20 geht es weiter, um 14:00 steh ich am Wastl und um 15:05 treffe ich mich mit Sylvia beim Kalteis, wo wir bis zum
einsetzenden Regen entspannen.
Mein vorjähriger Versuch, an die USA-Tour 2022 von New York nach Seattle anzuschließen und ausgehend von Seattle Fairbanks in
Alaska zu erreichen, war erfolglos - ein Gefühl der Verletzlichkeit und Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit, wahrscheinlich
als Resultat einer schlechten Vorbereitung insbesondere auf mentaler Ebene haben mich trotz körperlicher Fitness zur Umkehr
gezwungen. Die Kraft zum Abbruch gehabt zu haben, habe ich zwar als Erfolg erleben können, aber trotzdem sind schon bei der
Rückreise zwei einander widersprechende Gedanken in mir aufgekommen: Einerseits diesen Abbruch als Anlass dafür zu nehmen, das
Kapitel "Lange Radreisen" mehr oder weniger unfreiwillig zu beenden oder anderseits es doch noch einmal zu versuchen und damit
vielleicht positiv und freiwillig abzuschließen. Gemeinsam ist beiden Gedanken der Wunsch, die Zeichen der Zeit, die Fähigkeiten
meinem Alter entsprechend richtig einzuschätzen und im richtigen Augenblick der Aufforderung Hermann Hesses in "Stufen" gerecht
zu werden: "Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!"
Wie auch immer, der Widerspruch hat mich nicht mehr losgelassen. Immer wieder habe ich versucht, die Gründe und offenen Fragen,
die letztlich zum Abbruch geführt haben könnten, bewusst zu machen und zu analysieren. Schließlich beginne ich, alles auch
schriftlich festzuhalten, um mich bewusster damit beschäftigen zu können und daraus ein verbessertes Konzept für ein solches
Unternehmen zu erstellen:
Ganz Wesentlich zum Abbruch beigetragen hat, dass ich am Abend davor nicht zuletzt durch sehr schlechtes Internet
verunsichert gewesen bin, ausreichend viele Stützpunkte für Nächtigung und Verpflegung finden zu können, die meiner Art
zu Reisen entsprechen. Es ist daher naheliegend, diese Suche in aller Ruhe und mit gutem Internet daheim zu wiederholen. Dabei
zeigt sich, dass in den meisten Fällen größere Städte oder zumindest kleine Ansiedlungen mit Motels in schaffbaren Distanzen
voneinander entfernt liegen. Sollten die Motels besetzt sein, dann wird sich zumindest auf Nachfrage das Zelt irgendwo
aufstellen lassen. Nur manchmal muss ich mich darauf einstellen, dass ich auf Campgrounds ohne Versorgungsmöglichkeiten
übernachten und daher für ein paar Tage Verpflegung mit mir führen muss. Trinkwasser wird im Notfall in der Natur ausreichend
vorkommen.
Um die Lage dieser Stützpunkte auch offline zur Verfügung zu haben, kommen sie in eine Excel-Datei, die mit allen
meinen Geräten synchronisiert wird. Außerdem führe ich diese Datei auch in ausgedruckter Form mit mir, damit die
Abhängigkeit von der Elektronik, vor allem vom Internet reduziert wird. Auch diese Abhängigkeit ist ein wesentliches
Abbruch-Thema gewesen. Das Bewusstmachen der Tatsache, dass wir uns aber auch vor 30 Jahren orientieren und organisieren haben
können, gibt Mut, das auch heute noch zu können! Das Wissen um die Existenz der Stützpunkte, die Tatsache, dass es nicht so
viele Straßen gibt, die nach Alaska führen und die Möglichkeit, bei den Einheimischen fragen zu können geben mir Sicherheit.
Soweit das möglich ist, möchte ich natürlich trotzdem auf die Annehmlichkeiten der Elektronik zurückgreifen: von Excel kann ich
die Adressen in die Navi-Apps kopieren und als Feuchtigkeitsschutz (auch gegen tropfenden Schweiß) kommt das Handy in ein
Plastiksackerl. Außerdem kommt ein zweites (altes) Handy mit den notwendigsten Apps als Reserve in das Reisegepäck. Es kann
auch als Fotoapparat dienen. Eine neue GoPro mit Reserveakkus rundet das Programm um die auch bisher üblichen Geräte
ab. Ich brauche kein Satellitentelefon und verlasse mich für irgendwelche Notfälle auf Autofahrer - notfalls auch für einen
Transport bis zu meinem Zielort Fairbanks.
Der Flug von Fairbanks zurück zum Startort Vancouver ist bereits gebucht. Am selben Tag wird Sylvia von Wien nach Vancouver fliegen
und wir werden anschließend mit einem Wohnmobil Westkanada bereisen. Die Tatsache, dass meine Frau mich wieder in gewohnter
Weise abholt, empfinde ich als sehr motivierend.
Das Bärenthema versuche ich rational zu erfassen: Wir passen nicht in ihr Beuteschema, der Kontakt mit uns lärmenden
Menschen wird eher vermieden. Es hätte keine Erschließung des Landes gegeben und keiner der vielen Wanderer würde zurückkehren,
wenn alle immer gleich den Bären zum Opfer gefallen wären oder fielen. Natürlich sind Vorsicht und das Wissen um ein paar
Verhaltensregeln genauso geboten, wie der schon vor zwei Jahren mitgeführte Bärenspray, vielleicht noch Bärenglocken und das
eine oder andere Mal laute Musik am Handy.
Schließlich lese und höre ich auch von anderen Radfahrerinnen und -fahrern, die auf der von mir geplanten Strecke unterwegs gewesen
sind. Und ein besonders einsamer Abschnitt, der Cassiar Highway, kommt sogar als Vorschlag in einem Buch über Radtouren vor,
das ich von einem meiner Söhne bekommen habe.
Oberste Priorität hat dieses Mal die Wahl des Zeitraums für meine Tour: Der schon im Vorjahr geplante Start Mitte Juni, um die
wetterbeständigste und hellste Zeit des Jahres zu nützen, wird diesmal nicht zugunsten anderer Unternehmungen verschoben.
Durch diesen Startzeitpunkt habe ich einerseits ausreichend lange Zeit für Trainingsfahrten nach dem Winter und ich laufe
andererseits nicht Gefahr, den Verlockungen des Sommers, "dem Grillen und Chillen" zu erliegen und den Trainingszustand dadurch
wieder zu vernachlässigen. Tatsächlich geben mir viele Ausfahrten in den letzten Wochen die Sicherheit, dass "die alten Knochen
noch was hergeben", dass ich mich auf meinen Körper verlassen kann.
Ich habe viel am Rad geschraubt und probiert, habe neue Schuhe, neue Clips, Reserveclips im Gepäck, einen neuen
Sattel, eine neue wasserdichte Lenkertasche und breitere Reifen, die schonend auf Hintern und Speichen wirken sollten.
Auch Ersatzspeichen kommen diesmal ins Gepäck. Das Rad ist bei einem Service gewesen, um es auf eine lange Reise
vorzubereiten. Und Für den Hintern kommt eine Salbe ins Gepäck, die die Gleitfähigkeit zwischen Sitzpolster und Haut
verbessert.
Meine bisherigen Motive für eine weitere Radreise sind aufrecht. Insbesondere treibt mich die Erwartung, die einzigartige Natur
auf dem Rad hautnah erleben zu können. Wenn auch die Flucht aus dem Berufsalltag naturgemäß keine Rolle mehr spielt, so ist
zumindest ein Ausbruch aus dem Alltag ein wesentlicher Motor. Und nicht zuletzt möchte ich eines Tages auf einen erfolgreichen
Abschluss des Themas "Lange Radreisen" zurückblicken können. Mutig und hoffentlich nicht übermütig möchte ich mich den Ängsten
stellen, die mich im Vorjahr zum Abbruch gezwungen haben. Eine Konsequenz daraus ist, dass mein geplanter Weg von Vancouver über
Hope, den Ort des Abbruchs verläuft. Wenn es verfügbar ist, dann werde ich in Hope das gleiche Motel buchen, um dieses Mal am
Morgen zumindest als Etappensieger in die andere Richtung zu starten.
Die Entscheidung, es noch einmal zu versuchen, ist nicht leicht gefallen. Momente des Zweifels und der Angst
nach einem schlechten Trainingstag wechseln täglich mit Euphorie und Vorfreude. Ich hadere damit, meine Familie wieder lange
nicht zu sehen und hege Zweifel darüber, ob ich das Unternehmen vor allem meinen Enkelkindern gegenüber verantworten kann. Aber
meine Frau unterstützt mich bei allen Vorbereitungen und einer meiner Enkelinnen erklärt ihre Mama, dass die Welt durch die
Geschichten der Abenteurer bereichert wird. Und ich möchte möglichst lange der bleiben, der ich bin: aus dem Bewusstsein des
Abenteuers ein positives Selbstbild erhalten und physisch und psychisch fit bleiben, um anpacken oder auch nur eine Schulter
zum Anlehnen bieten zu können -- Dass irgendwann trotzdem das Alter zuschlägt, das ist mir sehr bewusst.
Eine Folge von Erkältungen und ähnlichen kleinen Wehwechen stört meinen Trainingsplan. Besonders die letzten Tage vor der
endgültigen Buchung der Flüge sind durch schlaflose Nächte und Gefühle wie in einer Achterbahn gekennzeichnet. Die Planung ist
intensiver und anders als bisher, irgendwie fühlt sich alles wie vor der ersten großen Tour nach Spanien an. So wie damals halte
ich mich auch mit der Ankündigung meiner Absicht zurück - einerseits, um mir Diskussionen und "gute Tips" zu ersparen, anderseits
um die Erwartungshaltung von außen möglichst spät einsetzen zu lassen - meine eigene kann ich mir eh nicht nehmen.
Nach und nach verschwinden alle negativen Emotionen und Angstgefühle, es stellen sich Ruhe und Gelassenheit ein. Erst in
den letzten Tagen vor dem Abflug, die vom Zusammentragen des Gepäcks und sonstigen letzten Vorbereitungen gekennzeichnet
sind, beobachte ich eine nicht überraschende Nervosität.
Ich weiß, dass ich ewig damit hadern würde, wenn ich es nicht wenigstens versucht habe. Ob ich mit meiner Entscheidung dumm oder
mutig bin, das wird wohl rückblickend festzustellen sein und auch sicher festgestellt werden, von mir und von meiner nahen und
weiteren Umgebung - vor allem von jenen, die das Ergebnis sowieso vorher schon gewusst haben - so oder so :).
Wie auch immer der Verlauf sein wird, die Aufbruchstimmung tut mir gut, ich bin auf das neue Abenteuer fokussiert und der
Kampfgeist ist erwacht. Möge er lange anhalten und "die Macht mit mir sein" :).
Der gestrige Tag ist geprägt vom Zerlegen und Einpacken des Fahrrads mit tatkräftiger Unterstützung von Sylvia. Immer wieder
wirkt sie entspannend auf mich ein, wenn ich beginne, nervös zu werden, wenn etwas nicht klappt. Ein paar nette Gespräche, ein
Bier beim Kalteis und ein zweites Bier daheim und wir schaffen es tatsächlich, schnell einzuschlafen - denn die Nacht ist kurz:
Um 3:15 Uhr sitzen wir im Auto Richtung Flughafen Wien-Schwechat.
Dort können wir mittlerweile alles sehr routiniert abwickeln, eine Schrecksekunde ergibt sich noch durch die Feststellung der
Dame beim Gepäcks-Check-In, dass ich zu viele CO2-Patronen eingepackt habe. Wir müssen also das Packerl nocheinmal aufschneiden,
können es aber unter Mithilfe der Kontrollorin rasch wieder flugfertig machen.
Ein schneller gemeinsamer Kaffee, eine kurze intensive Verabschiedung, und dann geht es allein weiter durch den
Security-Check und einem gemischten Gefühl aus einer ersten Entspannung und der Erkenntnis "jetzt mach ich es wirklich!". Der
Flug nach Frankfurt ist kurz und dort am Flughafen, während der Wartezeit auf den Anschlussflug nach Vancouver, kommt endlich
Reiselust bei einem "Abendessen mit Bier" auf - da es nämlich in Vancouver Nacht ist, möchte ich schon mal mit der
Umstellung beginnen ;)
Beim Langstreckenflug habe ich viel Zeit, die letzten zwei Monate seit der Entscheidung Revue passieren zu lassen. Da gab es
noch viel zu tun für eine gewissenhafte Vorbereitung - beginnend mit den organisatorischen Kleinigkeiten wie ESTA, ETA und
dem ersten Hotel über viele Ausfahrten zur Erhaltung des Trainingszustands bis hin zu viel Zeit vor allem mit unseren
Kindern und Enkelkindern.
Ich bedanke mich für die Kraft, die sie mir gegeben und das gute Gefühl, dass sie in mir hinterlassen haben, aber auch für das
Verständnis, die letzten Tage mit Sylvia allein verbringen zu können, um auf mein Unternehmen zu fokussieren. Ganz besonders
dankbar bin ich meiner Frau Sylvia für ihre Unterstützung und ihr Verständnis. Und auch dem Reisebüro Ruefa möchte ich Danke
sagen für die individuelle Beratung und fürs Mitdenken.
Nach der Landung in Vancouver klappt alles wie am Schnürchen: Die Passkontrolle geht rasch über die Bühne und ohne Wartezeit
finde ich mein Bike beim Oversize-Luggage. Der Karton ist zwar lädiert, der Inhalt aber in Ordnung. Noch am Flughafen besorge
ich mir eine SIM-Karte von "Bell" mit viel Datenvolumen und für 40 CAD (inklusive Trinkgeld) bringt mich ein Taxi zum gebuchten
einfachen Hotel. Die übliche Check-In-Zeit von 16:00 brauche ich nicht einhalten, daher bin ich kurz nach 12 am Zimmer und
beginne in aller Ruhe mit dem Zusammenbau des Rads und dem Herstellen der Packordnung. Daneben reserviere ich ein Zimmer für
morgen in Abbotsford, mache anschließend einen ersten Einkauf und setze mich in das neben dem Hotel liegende Pub für ein Lunch
und ein Bier und schau dabei die Aufzeichnung des Europameisterschaftsspiels Serbien gegen England an. Es geht mir gut und
ich wünsche allen daheim einen guten Morgen und mir eine gute Nacht!
Strecke T01: 77 km, 294 hm
Gesamte Strecke: 77 km, 294 hm
Durchschnitt: 77 km/Tag, 294 hm/Tag
Maximale Höhe über Meer heute: 92 m
Gestern bin ich sehr früh ins Bett gegangen und hab noch brav gedehnt und eine Tablette genommen, weil Hüfte und Kreuz vom
langen Sitzen im Flugzeug lädiert sind. Nach ein paar Stunden bin ich wieder wach gewesen und hab bis zum Morgen keinen
richtigen Tiefschlaf mehr finden können, die Zeitverschiebung stellt einfach ein großes Problem für den Biorythmus dar.
Am Morgen nehme ich zermürbt zur Kenntnis, dass der vordere Reifen platt ist. Ich pumpe halt mal, hoffe auf ein
Wunder und widme mich nochmals meinen Dehnungsübungen. Die Wettervorschau ist recht traurig zu lesen und ich beschließe, etwas
zu trödeln, weil es währenddessen ja vielleicht besser wird und die geplante Strecke relativ kurz ist.
Beim Frühstück im angeschlossenen Kaffeehaus beobachte ich, wie es mich fröhlich stimmt, dass ich mich verständigen kann, und
ich beschließe, möglichst rasch in Kultur und Sprache anzukommen.
Langsam lege ich dann doch die Regenkleidung an und mache mich auf den Weg. Und es regnet fast die ganze Fahrt, die erste Hälfte
geht's über vielspurige Straßen mit starkem Verkehr. Es ist eine stressige Fahrt. Ein wenig leichter wird es, wenn eine Bus-Lane
oder manchmal sogar eine Bike-Lane vorhanden ist, oft aber fehlt sogar die Right lane. Es ist etwas bergiger als erwartet und
die Gegend ist nicht besonders attraktiv - von zwei Boxenstopps abgesehen fahre ich daher einfach durch und bin um 13:00 schon
am Ziel, darf aber trotzdem schon im Motel in Abbotsford einchecken.
Die Kleidung kann ich zum Trocknen aufhängen, eine warme Dusche tut gut. Der Schlauch im Vorderrad hat zwar Druck verloren,
aber ganz gut gehalten. Ich kann keinen Fehler finden, tausche ihn aber trotzdem aus. Sehr bald reserviere ich ein Zimmer für
morgen in Hope - tatsächlich ist das Motel vom Vorjahr frei für mich, sogar zu einem sehr vernünftigen Preis. Nachdem ich alle
Geräte geladen, die grundlegenden Vorbereitungen fürs Tagebuch getroffen und gedehnt habe, setze ich mich zum Abendessen und
Schreiben in das nahe Pub, das ich im Vorjahr bei der Rückreise besucht habe.
Morgen liegt ein Fahrradgeschäft am Weg, die hoffentlich einen passenden Schlauch für mich haben und die Hoffnung auf besseres
Wetter wird durch die Vorschau ein klein wenig verstärkt.
Strecke T02: 96 km, 228 hm
Gesamte Strecke: 173 km, 522 hm
Durchschnitt: 86,5 km/Tag, 261 hm/Tag
Maximale Höhe über Meer heute: 97 m
Die letzte Nacht war noch nicht gut, aber schon besser. Ein trockener Rachen ist hoffentlich kein Rückfall in eine vor kurzem
abgeheilte Rachenentzündung. Die ersten Sonnenstrahlen auf dem Weg zum Frühstück nach dem gestrigen Regentag und die
Wettervorhersage sind motivierend für den Tag. Da das wegen des Schlauchs angepeilte Sportgeschäft erst um 10:00 öffnet, lasse
ich mir Zeit mit der Abfahrt und checke zur Beruhigung eventuelle Möglichkeiten für einen Ausstieg aus meinem Vorhaben.
Mit warmer Kleidung und der Radeinstellung am Navi lasse ich mich zum Bike-Store in Mission lotsen. Zu Beginn führt er durch eine von vielen
Obdachlosen bewohnten Gegend. Und abgesehen davon, dass ich am Schluss das Rad über viele Stiegen über eine Fußgängerbrücke
tragen muss, ist der Weg sehr gut. Ich kaufe 2 neue Schläuche, einen Tankstellenkaffee und einen Muffin und kann die warme
Jacke gegen die luftigere Windjacke tauschen. Die Legging bleibt bis fast zum Schluss.
Der Wind steht gut, die Landschaft wird schöner und der Verkehr weniger. Die Wärme der Sonne im Rücken tut dem lädierten
Kreuz gut. Ich fahre eigentlich die gleiche Strecke wie im Vorjahr und finde auch wieder die gleichen Fotomotive. Erst nach
fast 80 Kilomern lege ich eine richtige Pause auf einer Rest-Area ein und plaudere dabei mit einem alten Motorradfahrer.
Schnell ist danach Hope erreicht und ich stehe vor dem mir nur allzu bekannten Motel, werde dort aber von zwei sehr freundlichen
jungen Chinesen angenehm eingecheckt. Ich glaube, dass ich sogar das gleiche Zimmer wie im Vorjahr bekommen habe, ein mulmiges
Gefühl beim Eintreten kann ich nicht verleugnen.
Schnell erledige ich die Körperpflege und die ersten organisatorischen Arbeiten, diesmal bei traumhaftem Internet, und dann
mach ich einen Spaziergang zur Orientierung, kaufe Verpflegung für morgen und ein Bier für heute Abend und ein paar
Kleinigkeiten im Outdoor-Shop. Dort erfahre ich die Telefonnummer des Lytton Pines Motel und muss leider mit der Mitteilung
fertig werden, dass nix frei ist. Ich erhalte aber den Hinweis auf Campingplätze ein paar Kilometer danach.
Aufgrund eines mehrstündigen Stromausfalls in der ganzen Stadt gibt es im Lokal nur kaltes Essen und natürlich ist dadurch
auch das Internet im Quartier wieder weg. Auch die Mobildaten funktionieren nicht gut, das Hochladen des Tagebuches steht
daher in Frage. Irgendwas mag ich nicht an diesem Hope :(.
Aber es ist schön hier, wie mir ein kurzer Abendspaziergang noch zeigt.
Strecke T03: 97 km, 228 hm
Gesamte Strecke: 270 km, 750 hm
Durchschnitt: 90 km/Tag, 250 hm/Tag
Maximale Höhe über Meer heute: 98 m
Die Überschrift sagt schon alles aus: Ich habe mich wieder für das Umdrehen entschieden. Im Vorjahr habe ich in dieser Überschrift
geschrieben: "Ich dreheum!" Dieses Mal entscheide ich mich bewusst für "ich fahre nach Hause!". Zum ersten Mal auf dieser
Reise kann ich zwar bis 2 Uhr wirklich gut schlafen, aber dann werde ich verschwitzt wach -- Ein Schnupfen (vielleicht von
den Klimaanlagen in den Flugzeugen und allen Motels und Lokalen) könnte sich da ankündigen, irgendwie glaube ich auch an eine
allergische Reaktionen auf irgendwas, das da blüht. Ich fürchte, dass ich mich nicht ganz auf mein noch immer lädiertes Kreuz
verlassen kann und leide ein wenig unter der Schlaflosigkeit, die vermutlich vom Jetlag stammt. Ein bisschen hat mich der
schleichende Patschen im Vorderrad verunsichert. Ich spüre, dass der Erfolg bei einem solchen Unternehmen oft an einem seidenen
Faden hängt, dass Erfolg und dramatischer Ausgang oft knapp nebeneinander liegen. Ein Abbruch ist jetzt noch einfacher als
später, vor allem dann, wenn Mann oder Material versagen - in Europa könnte ich sogar mit dem Auto abgeholt werden, hier bin
ich bis zuletzt auf mich gestellt.
Ich bin diesmal nicht von irrationalen Angstgefühlen mit starken physischen Symptomen geleitet, sondern stelle ganz ohne
Stress fest, dass ich nicht nur die oben erwähnten Bedenken habe, sondern dass ich einfach nicht mehr täglich ins Ungewisse
fahren will, dass die Sehnsucht nach vielen Dingen, die dieses Abenteuer ausmachen, halt einfach nicht mehr groß genug ist,
einschließlich des Bedürfnisses, mit mir alleine zu sein. Die möglichen Gefahren sind viel präsenter als früher und der Wunsch
nach Bequemlichkeit anstelle eines harten Zeltbodens ist auch deutlich zu spüren. Zu groß ist auch das Unbehagen, in der Wildnis
zu übernachten, 200 Kilometer von anderen Menschen entfernt. Und es erscheint mir unmöglich, Wasser für mehrere Tage mit mir
zu führen und unwahrscheinlich, es zum richtigen Zeitpunkt in der Natur zu finden. Ich brauche einfach zu viel. Auch das
fixierte Enddatum macht mir Druck.
Natürlich kann man sich das auch vorher überlegen. Das habe ich auch getan, aber ich muss offensichtlich mehrmals mit einer
Situation konfrontiert sein, mich länger damit beschäftigen, um diese meine Grenzen zu spüren und zu erkennen. Der grüne Tisch
der Planung ist halt einfach anders, als die Realität - das habe ich im Vorjahr schon festgestellt. Vielleicht ist es manchmal
auch notwendig, weg zu kommen, um zu wissen, wo man hingehört. Ich glaube zwar noch immer, dass ich alles kann, was notwendig
ist für eine solche Tour, wenn ich muss -- aber ich muss halt einfach nicht (mehr)! Anderseits bin ich aber offensichtlich
psychisch nicht mehr so belastbar, denn schon der Gedanke an die Notwendigkeit, mein Rad wieder flugtauglich verpacken zu lassen,
stresst mich.
Und ganz wesentlich: Mir geht's ein bisserl wie dem Niki Lauda, als er mit dem Rennfahren aufgehört hat mit der Bemerkung, dass
ihm das ewige "im Kreis fahren mittlerweile einfach zu blöd ist". Auch ich erkenne, dass ich das, was ich bis jetzt gemacht habe,
nicht mehr mit der bisherigen Leidenschaft und Sehnsucht machen kann und will, die noch vor zwei Jahren da war. Eigentlich mag
ich nicht mehr, ich empfinde es plötzlich nur mehr als "more of the same". Man kann sich nur dann einen Traum erfüllen, solange
man das Brennen danach spürt. Wenn das fehlt, dann kann der Traum schnell zu einem Alptraum werden.
Ich fühle nicht nur mit Niki Lauda, sondern auch mit Bruce Willis, wenn er in einem seiner letzten guten Filme nach einer
Action-Szene am Rücken liegend sagt, dass er "einfach zu alt für diesen Scheiß" ist.
Aber Achtung: dafür zu alt zu sein, soll nicht heißen, dass ich jetzt für alles zu alt werde und "mit dem Züchten von Rosen"
beginne, es gibt im Sinne von Hesse sicher noch viele andere Ziele und Abenteuer für mich:
...
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
...
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden ...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Und so beende ich hier und jetzt das Kapitel "Lange Radreisen", ohne Groll und ohne Hader, nicht als Niederlage, sondern als
Sieg und Erlösung wovon auch immer ich bis hierher getrieben worden bin. Er war gut für mich dieser Antrieb, und es war
schön, erleben zu dürfen, was ich erlebt habe, aber jetzt ist es Zeit, aufzuhören. Ich bin entspannt. Daheim ist es schön,
mein Leben ist schön. Und zunächst freue ich mich auf meine Familie und den hoffentlich noch umsetzbaren Teil des gesamten
Reiseplans mit Sylvia im Wohnmobil.
Mit "der besten Ehefrau von allen" (nach Kishon) habe ich in der Nacht (für sie war Tag) telefoniert und sie informiert. Sie hat
mir dabei empfohlen, keine schnelle Entscheidung zu treffen, die ich dann bereue, sondern nocheinmal darüber nachzudenken. Es
war mir aber sehr schnell klar, dass ich nichts bereuen werde. Ein paar Stunden später habe ich also das Reisebüro kontaktiert
und um Buchung eines baldigen Rückflugs von Vancouver oder auch von Seattle aus gebeten.
Danach kommt ein (fast) normaler Radfahrtag: Er beginnt mit einem Frühstück in aller Ruhe im benachbarten Cafe. Die Fahrt
startet bei Traumwetter und Rückenwind. Die Notwendigkeit, bei einer extremen Steigung abzusteigen und die Tatsache, dass ich
bei Gegenwind und schlechtem Asphalt nicht gelassen bleibe, bestätigen die Richtigkeit meiner Entscheidung. Ich fahre zurück
nach Abbotsford, ins Quartier von vorgestern mit Blick auf den Mount Baker, der schneebedeckt in den Himmel ragt. Dort sind
sicher jetzt noch Schitouren möglich :)
Und am Abend besuche ich das gleiche Lokal wie vorgestern und lasse mich dort von der Stimmung, vom Essen und vom Bier ein
wenig von den noch möglichen kommenden Problemen ablenken. Wie es morgen weitergeht, das entscheide ich nach meinem
Gesundheitszustand und der Information, die ich vom Reisebüro bekomme.
Mein Flieger geht am Sonntag, am späten Nachmittag. Bei Ruefa ist von allen Beteiligten schnell gearbeitet worden und ich bin
sehr dankbar dafür. Die Kommunikation dazu hat zwar für mich in der Nacht stattgefunden, aber auf die eine oder andere Stunde
Schlaf kommts jetzt auch nicht mehr an. Richtig geschlafen hab ich sowieso wieder nicht, weil mir dauernd etwas durch den Kopf
geht, das ich vor ein paar Jahren noch lockerer gesehen habe. Die Leichtigkeit (oder Naivität?) der Jugend, die bis weit nach
60 angehalten hat, die ist halt mit 64 dahin :). Das Lied der Beatles mit dem Titel "When I'm sixtyfour" gibt Hoffnung auf
andere Qualitäten, die das Leben bieten kann.
Ich werde heute Pause machen, das Zimmer hier habe ich schon vor dem Frühstück verlängert. Es ist deutlich billiger, als in
Vancouver. Auch dort habe ich schon reserviert und nach einem Blick auf die Wettervorschau werde ich morgen, am Freitag,
eine kurze Radtour dorthin machen, und hoffentlich am Samstag das Rad verpackt bekommen. Ich freue mich schon auf das Klicken
der Pedale - zum ersten Mal habe ich das Gefühl, nicht weg, sondern einfach nach Hause zu fahren.
Jetzt sitze ich beim Frühstück und schreibe ein Bike-Shop in der Nähe des Quartiers in Vancouver an, ob sie mir mein Rad einpacken
können. Lesen und Schreiben ist noch immer einfacher, als Telefonieren. Es gibt noch ein paar andere Shops, aber ich warte mal
die Antwort des ersten ab - geöffnet wird um 11:00. Bis dahin gehe ich eine Runde um den Block und genieße den Anblick des Mount
Baker. Ich sitze in der Lobby und am Zimmer, beantworte einige Mails und versuche ein paar (zumindest noch) private Gedanken
festzuhalten und systematisch zu behandeln. Um 11:30 trudelt die Antwort ein: "The Bike Doctor" kann helfen - eine Last fällt mir
von den Schultern (in Fairbanks habe ich für den gleichen Zweck bereits einen Shop gefunden und mit einem Mitarbeiter kommuniziert).
Zum Abendessen geht's nochmal ins "Abbey Road Tap House". Auf etwa 40 Bildschirmen läuft hier unter anderem die Amerikanische
Fußballmeisterschaft - parallel zur Europameisterschaft.
Strecke T04: 91 km, 409 hm
Gesamte Strecke: 361 km, 1159 hm
Durchschnitt: 90 km/Tag, 290 hm/Tag
Maximale Höhe über Meer heute: 119 m
Um 4:30 mache ich einen Blick aufs Handy - alle Flugunterlagen sind eingelangt. Ich hab bis jetzt geschlafen wie ein Murmeltier
und schlafe noch bis 6:00 weiter. Erst vom Wecker werde ich wach. Der gute Schlaf bestätigt mir wieder meine Entscheidung.
Eigentlich wäre die Tour, eine größere Herausforderung als die durch die USA gewesen, trotz kürzerer Strecke - und mehr geht
halt in meinem Alter nicht mehr.
Lass es zu, Nimme es hin, ist mir durch den Kopf gegangen, "Let it be" von den Beatles wird oft in diese Richtung interpretiert,
von mir zumindest ab heute, dann sind es für mich "words of wisdom", Worte der Weisheit. Ruhig dahinfahrend singe ich heute
nicht nur dieses Lied.
Übrigens hat mir Richi nach meinem ersten Tag im Regen raus aus Vancouver einen Link zu einem sehr entspannenden musikalischen
Beitrag geschickt. Der Titel ist treffend:
A Rainy Day In Vancouver
Draufklicken und entspannen - Das Bild erinnert mich an meine Fahrt.
Ich lasse mich heute teilweise sogar von der Radeinstellung navigieren, genieße daher auch die langsame Fahrt auf Radwegen und
spüre - der Verkehr lässt es zu - unendliche Ruhe in mir. Ich habe es noch einmal probiert und brauche mir in Zukunft nichts
vorzuwerfen. Meine bisherigen Reisen waren außergewöhnlich, aber jetzt baue ich im Kopf schon die Packordnung auf einfache Touren
in Europa um, ohne Rucksack und vielleicht doch nicht immer allein. Es darf auch mal was ganz Normales sein.
Die einzige echte Pause gibt's heute bei einem am Weg liegenden Starbucks. Es gibt Kaffee und Bananenkuchen, sonst brauche ich
heute bis zum Schluss nix - außer Wasser.
Den Vorschlag des Navis, in einen engen und steil abwärts führenden Wanderweg einzufahren, verweigere ich. Ich improvisiere ein
bisserl, irgendwann ist es wieder einverstanden. Ein anderes Mal gewinnt wieder das Navi und ich stelle es mal auf Führung als
Auto, mal als Rad. Irgendwann muss ich aber doch ins Gemüse, weil mir der Auto-Umweg zu blöd ist. Dann komme ich wieder fast
auf eine Autobahn, aber ich schlage mich durch bis zum Hotel.
Das Zimmer ist noch nicht fertig, weil ich zu früh dran bin. Ich darf mich aber in einem kleinen Konferenzraum neu organisieren,
das heißt, die Packordnung so verändern, dass ich im Radshop schnell alles lassen kann, was ich übermorgen und beim Flug nicht
brauche, nicht ins Handgepäck darf oder dorthin muss.
Die zehn Kilometer zum Radshop hänge ich gleich an. Dort ist der Mitarbeiter nicht da, mit dem ich emails getauscht habe
und die anderen zweifeln, ob sie überhaupt einen Karton haben. Fast schicken sie mich schon in einen anderen Shop, da findet ein
motivierter Verkäufer eine Schachtel für mich und alles löst sich in Wohlgefallen auf. Schnell bin ich umgezogen, packe alles
in meinen Rucksack und mache mich zu Fuß und per Öffis auf den Weg zurück ins Hotel.
Der Check-In ist in 5 Minuten erledigt, mein Zimmer liegt im 10. Stock. Ich verputze noch die Reste meiner Verpflegung und der
Rest des Tages vergeht wie immer: Organisieren, Schreiben, Rasten und für ein Bier und einen Salat geht es ins nahe "Moxies".
Dort schreibe ich jetzt um 21:20: Guten Morgen Österreich!
Nach langem Schlaf und langsamem Morgenprocedere gibts Frühstück in einem Fastfoodlokal. Ich hasse diese Wegwerfmentalität und
das grindige Holzbesteck. Viel Zeit verbringe ich heute im Hotel mit mir selbst. Im Fernsehen läuft interessanterweise das
Europameisterschaftsspiel Türkei : Portugal. Es endet 0:3. Nach meinen Beobachtungen sind die hier sehr britisch eingestellt -
kein Wunder, bei der Länderbezeichnung British Columbia.
Schon um die Mittagszeit kommt die Mail vom Bike-Doktor, dass mein Rad fertig ist. Ich verspreche, es um etwa 4 pm abzuholen
und nütze die Zeit bis dahin mit einem Ansatz von Sightseeing:
Zu Fuß und mit U-Bahn gehts bis zur Station Olympic Village. Interessant ist die Zahlungsmethode bei der Bahn: Ich lege meine
Kreditkarte (mein zahlungsfähiges Handy) beim Eintritt in die Station auf den Empfänger der Sperre, die dann öffnet. Und beim
Verlassen meiner Endstation wiederhole ich den Vorgang und werde hinausgelassen, der Fahrpreis wird abgebucht (Die Methode
ist nur für eine Einzelfahrt möglich und sinnvoll).
Ich gehe zum erstbesten Hafen mit Blick auf die Downtown und genieße Kaffee und Kuchen, während ein Straßenmusiker seine
Anlage aufbaut. Ein paar Häuser weiter gibt's ein kleines Bier in einem Pub, in dem wieder von der EM berichtet wird. Ein
wenig höre ich dem Straßenmusiker zu, bevor ich mich auf den Weg zum Bikeshop mache und dabei noch bei Starbucks reinfalle
und den Laptop zum Schreiben kurz öffne. Ich kann noch eine Pro-Palästina-Demo beobachten, bevor ich an meinem Ziel ankomme.
Dort ist alles erledigt, das Rad ist vermutlich gut verpackt - ob das stimmt, werde ich zu Hause beim Auspacken sehen. Auf
meine Bitte hin wird mir ein Taxi gerufen und in der Wartezeit kann ich ein wenig durchs Geschäft schlendern. Die haben
dort Ortlieb-Taschen zum Verkauf, auch mein Modell gibt es hier, die grüne auf dem Bild. Der Taxler hat übrigens
vermutet, dass ich mir hier ein Rad gekauft habe, das ich nach Hause mitnehme, weil die hier viel billiger sind :).
Im Hotel angekommen stelle ich entspannt fest, dass ich damit die nächste Etappe geschafft habe. Auch der Online-Checkin für
den morgigen Flug ist schnell erledigt. Ich schreibe noch ein wenig, organisiere die Daten auf meinem Laptop und verwende
meine Kopfhörer mal intensiv zum Hören von Musik anstelle der Kommandos meines Navis.
Bei Moxies gibt's wieder Ceasar Salad und Coors Light zum Abschluss des Tages.
Der späteste Check-Out im Hotel ist 11:00, ich darf bis 12:00 bleiben. Bis zum Start um 16:20, laut Mail verschoben auf 16:40
habe ich zu viel Zeit. Fürs Frühstück finde ich einen "Denny's" in der Nähe, dort gibts wieder mal den Lumberjack Slam - es wird
ein langer Tag! Ab Hotel bis zur Landung in Wien werde ich etwa 17 Stunden unterwegs sein.
Den Aufenthalt auf den Flughäfen erlebe ich (nach dem Security-Check) ja immer als positiv. Ich glaube mit Richi einer
Meinung darüber zu sein, dass das mit der Vielfalt der Menschen eine eigenartige "Welt dazwischen" ist, die einen laufen
zu ihren Anschlussflügen, die anderen warten gelassen, es herrscht Aufbruchstimmung und oft entsteht ein Gefühl von Freiheit.
Den Flug selbst erlebe ich nach ein paar Stunden als ziemlich zermürbend, weil schon alles weh tut vom stillen Sitzen.
Beim Auschecken lass ich mir ein Taxi bestellen, das erste ist zu klein und der Driver schickt einen Van. Ich bin viel zu
früh am Flughafen, muss fast eine Stunde auf die Öffnung des Gepäcks-Checkin warten, bin dann aber der zweite am Schalter.
Dort sitzt eine Steirerin und die meint, dass ich eigentlich für das Rad nichts zahlen muss, weil ich ja eh sonst kein Gepäck
habe und die paar Kilo zu viel sind ihr auch wurscht. Sie klebt ihre Etiketten auf die Box und ich brings zum Großgepäckschalter.
Die Dame dort gibt mir ein Messer, damit ich das Packerl aufschneiden kann, weil sie den Inhalt kontrollieren muss. Sie schaut
in die eine oder andere Tasche rein und hilft mir beim neuerlichen Zukleben.
Ich suche noch meinen Flug auf den Ankündigungstafeln, nehme das geänderte Gate zur Kenntnis und passiere gleich den
Security-Check, mittlerweile ohne Anspannung. Dann beginnt der Aufenthalt in der oben beschriebenen "Welt zwischen den Welten".
Kaffee, Muffin und Bier versüßen die Schreib- und Lesearbeit bis zum Boarding und zum Start.
Der Flug nach Frankfurt dauert einfach lang, Schlafen funktioniert nicht gut, Sudoku schon, Musik vom Handy auch. Der Abflug
ist verspätet, dementsprechend die Landung in Frankfurt und ich habe zu tun, dass ich den Anschlussflug nach Wien erwische.
Kaffee ist da keiner mehr drin.
Und in Wien wartet die "beste Ehefrau von allen" auf mich. Ich bin wieder daheim!
Der Mitarbeiter beim "Bike-Doctor" war motiviert: er hat beide Räder ausgebaut, Gepäcksträger und Kettenwerfer abmontiert
und sogar die Bremsscheiben ausgebaut. Dementsprechend lange brauche ich daheim mit dem Zusammenbau. Am dritten Tag kann ich
aber schon eine schöne Radtour über 100 Kilometer und viele Höhenmeter ohne Gepäck genießen. Ich bin noch tagelang mit dem
Aufarbeiten des Materials beschäftigt und habe dabei meine immer wieder aufkommenden Gedanken um die letzte Woche
in Kanada zu bearbeiten: Habe ich mir vor meiner Abreise die richtigen Fragen gestellt? Habe ich sie ehrlich beantwortet?
Das Lesen im Tagebuch hilft mir, meine Entscheidung weiterhin als richtig einzustufen, denn es macht mir meine Gefühle bewusst,
die ich bei der Entscheidung zum Umdrehen und die Tage danach gehabt habe. Das ist deswegen so wichtig, weil jetzt, wo ich daheim
auf sicherem Boden stehe, schon wieder Zweifel aufkommen: "Und, das wäre nicht zu schaffen gewesen? Wo war eigentlich das Problem?".
Und mit etwas unangenehmen Gefühlen setzt ein Prozess ein, der zu erwarten war und wohl einige Zeit dauern wird: ich muss in
meinem neuen Leben ohne die bisherige Form von Radreisen ankommen und mir die Frage "Was jetzt?" zufriedenstellend beantworten.
Fallweise geht da ein Loch auf. Es ist, als hätte ich einen Teil meiner Persönlichkeit in Kanada gelassen und mich nicht
ausreichend von ihm verabschiedet. Vielleicht gelingt mir das auf der mittlerweile fixierten Wohnmobiltour mit Sylvia. Teilweise
werden sich Wohnmobiltour und geplante Radtour überdecken. Ich freue mich nicht nur deswegen auf die gemeinsame Reise.
Durch den Abbruch der Radreise kann ich an einer mehrtägigen Wanderung mit einem Teil meiner Familie in den Radstätter Tauern
teilnehmen. In der Ruhe der Berge kommt immer wieder unendliche Sehnsucht nach der Ferne auf, manchmal wünsche ich mich zurück
nach Kanada. Habe ich zu früh aufgegeben, mir zu wenig Zeit gelassen, um bei dem Unternehmen anzukommen? Ich weiß ja, dass in
den ersten Tagen immer Zweifel da waren, schon beim ersten Mal nach Spanien und ich weiß, dass es immer etwa eine Woche
dauert, bis ich drin bin -- körperlich und psychisch ...
Es wird wohl noch einiges zum Aufarbeiten geben. Nicht zuletzt deswegen, aber auch um meinen Trainingszustand zu nutzen, mache
ich mich auf den Weg zum Hochschwab. Eine Kombitour ist angesagt, ohne Auto, ganz umweltfreundlich - und damit Sylvia das
Auto daheim hat.