Nach Vier Jahrzehnten als Lehrer an der HTL St. Pölten, zwei Jahrzehnten als Standesvertreter in einigen Funktionen habe
ich natürlich darüber nachgedacht, was ich jetzt am Ende meiner beruflichen Laufbahn sagen muss und möchte.
Es sammelt sich einiges an, vieles ist noch unausgesprochen, vieles noch unerledigt und es gäbe leider auch einiges
zu kritisieren.
Aber mit der Zeit brennt das Feuer dann doch nicht mehr so leidenschaftlich wie in jungen Jahren und die Zurückhaltung wird größer.
Vielleicht liegt das an der Erfahrung, dass sich viele schon an dem Feuer verbrannten, das sie selbst entfacht haben.
Vielleicht liegt es aber einfach an einer größeren Müdigkeit oder aber an der Tatsache, dass mit dem Alter nicht nur die
Verkalkung zunimmt, sondern auch der Horizont weiter und die Toleranz größer werden, sodass man auf jedes Argument, das man für
oder gegen eine Sache vorbringen würde, sofort selbst ein Gegenargument findet.
Die Welt lässt sich eben nicht in schwarz und weiß einteilen, sie ist auch nicht grau, sondern ziemlich bunt.
Erfreuen wir uns an dieser bunten Vielfalt.
Wir Lehrerinnen und Lehrer haben einen interessanten Beruf, wir dürfen und müssen immer lernen, um für die Jugend nicht
alt zu werden - fachlich, pädagogisch, sozial und kommunikationstechnisch.
Wir können uns untereinander austauschen und täglich unseren Horizont erweitern - wo gibt es eine größere Palette
an Wissensgebieten, die durch viele Fachleute abgedeckt werden als in einer höheren Schule.
Wir haben damit jeden Tag die Chance, uns an neuen Erkenntnissen zu erfreuen.
Meine Arbeit als Lehrer und als Standesvertreter habe ich (meistens) mit Leidenschaft gemacht, weil die Inhalte für mich
immer interessant und wichtig waren, und ich habe versucht, diese eigene Begeisterung weiterzugeben. Was ich gesagt habe,
habe ich fundiert und überlegt gesagt, meistens. Das war oft anstrengend, aber machbar.
Ich habe versucht, mit mir im Reinen zu sein, das war oft viel anstrengender, aber machbar, meistens.
Ein guter Stil als Lehrer, als Standesvertreter, aber auch in vielen anderen Positionen und Situationen
zeichnet sich nicht dadurch aus, zu demonstrieren, dass man Recht hat, dass man der Bessere ist, dass man "den Längeren hat".
Die effektivsten Erfolge sind nicht die, VOR denen man steht, sondern die, HINTER denen man steht, auch wenn man die
oft nur selbst bemerkt.
Ziel muss es immer sein, der Sache, der Aufgabenstellung gerecht zu werden und wir sollten einander auf dem Weg dorthin mit
Wertschätzung begegnen, mit Argumenten und auf Augenhöhe, niemals von oben herab, aber auch nie von unten hinauf.
Die beruflichen Herausforderungen sind häufig mit sportlichen vergleichbar.
Ich erinnere mich daran, dass ich einmal Marathon gelaufen bin, das sind 42.195 Kilometer - Die Dauer eines Berufslebens hat
ungefähr die gleiche Maßzahl - die Einheit Kilometer ist durch Jahre zu ersetzen:
Die ersten Zehn sind einfach. Die Freude daran, endlich umsetzen zu dürfen, wofür man sich sehr lange vorbereitet hat, ist groß.
Man versteht nicht, warum die Alten jammern, wo doch alles so einfach läuft.
Nach Zwanzig beginnt die Routine, du bist optimistisch, weil du gut vorbereitet bist.
Aber dann kommt die Prater-Hauptallee, es sind schon über Dreißig, es geht immer nur geradeaus, du läufst und nichts
verändert sich, die Rahmenbedingungen werden schlechter, es wird wärmer.
Von links laufen dir die NOST und die Zentralmatura rein, du stolperst über NQR und EQR, ein paar ungeübte Ministerinnen
laufen dir vor die Füße und bringen dich aus dem Rhythmus. Sie sind als Staffelläufer einen Kilometer vorher eingestiegen
und mit ihrer Etappe bald wieder fertig. In aufgeblasenen unrealistischen Lehrplänen erklären dir Spaziergänger über Lautsprecher
von oben herab, wie du einen Lauf anzulegen hast. Gegenwind kommt auf, weil du nicht für jede Neuerung gleich Feuer und Flamme
bist, sondern erst mal kritisch darüber nachdenkst.
Es ist irgendwie immer das Gleiche aber alles wird blöder, am liebsten würdest du aufhören, du läufst aber automatisch
weiter und weißt, dass du das auch tun musst, um am Ende zufrieden sein zu können.
Die letzten Kilometer wird es wieder leichter, viel kann nicht mehr passieren, du musst nichts mehr verändern,
Tempo halten lautet die Devise. Nur keinen blöden Fehler machen.
Und dann sind da die letzten 0.195 Kilometer, auf denen alles von selbst läuft. Diese 195 Meter haben mit allem rund um die
Matura meiner Klasse begonnen, gehen über viele positive Rückmeldungen von Schülerseite und von euch bis zum letzten Tag
im gemütlichen Zusammensein mit guten Gesprächen.
Auf dieser Schlussstrecke wird man von seiner Umgebung förmlich durchs Ziel getragen, es ist wie Ostern und Weihnachten
gleichzeitig - danke dafür.
Und damit ist eine Frage, mit der ich in den letzten Wochen sehr oft konfrontiert wurde, nämlich "wie es mir jetzt geht",
schon fast beantwortet:
Ich blicke auf ein erfülltes Berufsleben zurück. Die daraus resultierende Zufriedenheit ist eine optimale Grundlage für
das weitere Leben. Darüber hinaus mag ich meine Frau - noch immer und meistens :). Und ich glaube, sie mag auch mich - noch immer
und meistens :). Ich habe eine Familie, die mir am Herzen liegt und auf die ich stolz bin und drei Enkelkinder,
die auf den Opa stehen. Ich habe ein Haus, einen Garten, und einen Wohnwagen. Ich bin gesund, habe ein Rad, Lauf- und Bergschuhe,
eine Schitourenausrüstung und Freunde, die mit mir die Hobbies teilen - ich fürchte mich nicht vor der Zukunft.